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27. April 2021 von Ulrich Achermann

Coca, Hexenmarkt und eine magische Zitadelle

 

«Hola amigo, hola amiga; Schuhe putzen?» Sobald man Platz genommen hat auf einer der Sitzbänke auf der Plaza de Armas in Cusco, ist es vorbei mit der Ruhe. Jungs und Mädchen im Kindesalter machen mit ihren Schuhputzkästen zu Hauf Jagd auf lohnende Objekte. Sie betrachten jeden Touristen als potenziellen Kunden, und sie sind nicht zimperlich.

 

In die Schule gehen sie wohl. Aber sobald der Unterricht vorüber ist schwärmen sie in Scharen auf den Platz. Was sie als Schuhputzer verdienen, das liefern sie zu Hause ab; Kinderarbeit ist in den Anden noch weit verbreitet. Warum? Ausgerechnet in Cusco, wo in nicht-Corona-Zeiten mit dem Tourismus jede Menge Geld gemacht wird, leben die meisten Familien in Armut. Einkommen und Vermögen sind einseitig verteilt. Zusammenhänge, welche die freundlichen Kinder selbst nicht kennen. Aber: Wer etwas Spanisch spricht, der wird sich schnell in einen lockeren Schwatz verwickelt sehen.

 

Die wuchtige Kathedrale im Rücken, vor sich die Kolonialbauten mit ihren hölzernen Balkonen und Galerien im Blickfeld – die Musse auf der Plaza de Armas von Cusco ist etwas Besonderes. Von hier aus breitete sich im frühen 13. Jahrhundert das Reich der Inkas in den Hochebenen der Anden aus. In nördlicher Richtung gehörten das heutige Ecuador und der südwestlichste Zipfel Kolumbiens dazu. In umgekehrter Richtung reichte die Inka-Herrschaft bis tief ins südliche Chile; auch die westlichen Teile Boliviens und Nordargentiniens hatten die Inkas unter ihrer Kontrolle. Die Stadt Cusco war spiritueller Nabel des Reiches und sein politisches, militärisches und wirtschaftliches Herz.

 

Die Altstadt von Cusco mit ihren engen Gassen aus Kopfsteinpflaster und erst recht die Zitadelle von Machu Picchu laden uns ein zum Eintauchen in die Inka-Welt und zum Nachdenken. Mit etwas Glück erleben wir in der imposanten Kathedrale von Cusco eine Messe in Quechua, der Sprache der Inkas. Sie wird noch heute gesprochen, auch wenn Spanisch die Amtssprache ist. Die peruanische Variante des gesprochenen Spanisch gilt als die gepflegteste in ganz Lateinamerika.

 

Während unserer Reise bewegen wir uns ständig in grosser Höhe. Es ist wichtig, sich langsam daran zu gewöhnen. Grössere körperliche Anstrengungen bleiben uns zum Glück erspart; wir sind meist im Bus oder im Zug unterwegs. In den Hotels stehen überall Thermoskannen mit Tee aus Coca-Blättern. Den Inkas waren sie heilig! Noch heute werden sie religiös verehrt – und gekaut, zusammen mit Asche, damit sich die Alkaloide in den Blättern lösen. Coca – der natürliche Kraftmacher in den Anden.

 

Auch Coca-Tee regt den Kreislauf an. Die dünne Luft kann Kopfschmerzen oder Kurzatmigkeit auslösen; nach zwei Tassen Coca-Tee sind die Symptome meist weg. Greifen sie ruhig zu! Mit 2800 Metern liegt das magische Machu Picchu vergleichsweise tief. Die Erfahrung an diesem mit besonderer Energie geladenen Ort ist einzigartig. Kehren Sie nach der geführten Tour auf eigene Faust in die Zitadelle zurück und verarbeiten Sie die ersten Eindrücke mit einem zweiten Besuch! Aber schon vor Machu Picchu schliessen wir volle Bekanntschaft mit der Inka-Kultur und deren Nachfahren: Im heiligen Urubamba-Tal bestaunen wir die Webkünste der indigenen Bevölkerung. Sie weben genauso wie vor 500 Jahren. Sie färben ihre Textilien auch heute noch allein mit Pflanzen aus der Region. Dieses Wissen wird von Generation zu Generation überliefert, und zwar mündlich.

 

Den höchsten Punkt während unserer Reise erreichen wir auf dem La Raya-Pass: gut 4300 Meter hoch gelegen. Keine Angst: Während der Busfahrt gewöhnen wir uns bequem an diese Höhe. Oben erwarten uns Lama-Herden und ein wildes Berg-Panorama. Also die Kamera bereithalten! Wir nächtigen in Puno am Titicacasee und begeben uns tags darauf auf dem Landweg nach Bolivien, unser nächstes Ziel.

 

In La Paz lohnt es sich, den Hexenmarkt zu besuchen. Ihr Reiseleiter wird Ihnen erklären, was es mit den getrockneten Lama-Föten auf sich hat, die man hier kaufen kann. Vielleicht reicht die Zeit noch für einen Besuch des kleinen, aber unglaublich aufschlussreichen Coca-Museums, ehe wir an den Titicacasee zurückkehren.

 

Hier erwarten uns unvergessliche Tage in einer sehr ursprünglich lebenden Dorfgemeinschaft auf der Sonneninsel. Wir erfahren viel über die Lebens- und Organisationsweise der Leute. Ebenso, was ein «Ayllu» ist. Oder warum ihre adligen Vorfahren in Steintürmen bestattet wurden. Einzigartig ist die Erfahrung auf den aus Schilf geflochtenen Inseln, auf denen das Volk der Uros lebt. Sie müssen immer ersetzt bzw. neu geflochten werden! Die Uros haben sich dem wohldosierten Tourismus geöffnet, pflegen aber weiter die Lebensweise ihrer Vorfahren. Den Fuss auf den weichen, leicht nachgebenden Inselgrund zu setzen und es darunter blubbern zu hören, gehört zu den exklusivsten Privilegien dieser Reise. Dazu bespielen uns die gastfreundlichen Uros mit andinischer Folklore.

 

Der letzte Teil der Reise, der Salar (Salzsee) von Uyuni, ist neben Machu Picchu ein zweites, absolut einmaliges Erlebnis – auch ein krönender Abschluss! Einmal war ich zu Beginn der Regenzeit da, als sich auf der Salzoberfläche eine etwa fünf Zentimeter hohe Wasserschicht gebildet hatte. Ich beobachtete einen Mann, der buchstäblich übers Wasser ging – über eine aalglatte Fläche, in der sich die Wolken spiegelten. Unvergesslich!

 

Der Salzsee ist riesig – er macht einen Viertel der Fläche der Schweiz aus. Und unter der bis zu 30 Meter dicken Salzschicht schwimmt flüssiges Gold: Lithium, das aus der Salzlauge herausgefiltert wird! Es ist einer der am stärksten nachgefragten Rohstoffe der Welt – die Industrie braucht ihn, um daraus leistungsfähige Batterien für elektrische Fahrzeuge zu bauen. Das Salz ist übrigens ihr ständiger Begleiter: Im Hotel am Salar schlafen Sie auf einem Salzbett, sie duschen in einem Bad mit Salzwänden, sie frühstücken an einem Salztisch … So schnell werden Sie das kein zweites Mal erleben!

 

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