03. Mai 2013 von Walter Eggenberger
PULSFÜHLEN AM HEISSEN KONFLIKTHERD
Das Tagebuch unserer Reise zeigt sehr schön auf, wie interessant Nordkorea ist, wie viel es zu bieten hat und wie fröhlich, ja feierlich, Apriltage in Pyongyang jeweils sind, wenn die Nation den Geburtstag des Landesvaters Kim Il Sung begeht. Diesmal war sogar noch ein weiteres Jubiläum zu feiern: der erste Jahrestag der Wahl des neuen „grossen Führers“ Kim Jong Un!! Nordkorea hat so seine Art, Gedenktage zu bestimmen und zu begehen.
Wir hatten andere Töne und Szenen erwartet. Die Drohgebärden aus Pyongyang in den Wochen vor unserer Reise (9. April bis 22. April 2013) liessen nichts Gutes ahnen – man musste sogar damit rechnen, dass die Reise hätte abgesagt werden müssen, wollte man sich nicht einer Gefahr aussetzen.
Im Nachhinein kann man ruhig auch von einem gewissen Hype sprechen, der uns im Westen erfasst hatte. Bereits der kurze Aufenthalt in Beijing / China zeigte uns, dass die Situation in Asien selber bedeutend gelassener beurteilt wurde; Südkorea zeigte gar Spott und Desinteresse.
Für den regelmässigen Beobachter der nordkoreanischen Szene rückte daher während der Reise vor allem die Frage ins Zentrum: Wie wird diese harsche, ja kriegerische Politik der Führung dem nordkoreanischen Volk „verkauft“? Man hätte eine kriegerische Kampagne erwarten dürfen. Massenveranstaltungen, Plakatwände, plärrende Lautsprecherwagen. Nichts dergleichen! Die Stimmung in den von uns besuchten Städten war ruhig, friedlich und fröhlich. Natürlich berichteten die Medien, dass die Amerikaner (und ihre Vasallen in Südkorea) Nordkorea mit Atomwaffen bedrohen würden! Aber Nordkorea – so die Quintessenz der Informationen – sei jetzt auch eine Atommacht und man würde jeden Angriff furchtbar vergelten. An einen solchen Angriff auf Nordkorea denkt natürlich auf der ganzen Welt niemand! Das ganze Drohgebäude wurde nur aufgezogen, um dem Volk einzutrichtern, dass der neue, junge Führer Auge in Auge mit dem Feind, diesem Paroli bieten könne. Was die Welt für zwei Wochen in Atem hielt, war mithin eine gewaltige PR-Übung nordkoreanischer Machart.
Die nächste Frage im Nordkorea Puzzle ist jetzt: Hat diese PR-Übung die erwünschten Resultate gebracht? Hat Kim Jong Un jetzt die Stellung gegenüber der Armee, der Partei und im Volk, dass er den zukünftigen Kurs selber bestimmen kann? Wird es weitere solche Phasen mit wildesten Drohungen geben? Oder fühlt sich der junge Diktator jetzt so sicher im Sessel, dass er sich auch an ernsthafte Verhandlungen mit seinen Nachbarn wagen kann?
Nordkorea bleibt spannend … Und ist immer für eine Überraschung gut.