27. April 2021 von Susann Bovay
Reisebericht zu unserer ersten Studienreise auf den Spuren Zwinglis‘ Reformation
12. Oktober 2020: Nicht ganz unpassend zur aktuellen Situation versammeln sich 12 erwartungsvolle Reisegäste beim Treffpunkt unter dem Schutzengel von Niki de Saint Phalle im Hauptbahnhof Zürich. Während einer intensiven viertägigen Kurzreise wollen wir uns mit dem cotravel-Fachreferenten Erwin Koller auf Spurensuche durch das Leben des Schweizer Theologen und Zürcher Reformators Huldrych Zwingli begeben.
Zur Einstimmung bietet sich eine Stadtführung an auf welcher wir die ehemaligen Wirkungsstätten Zwinglis mit neuen Augen und im Kontext zur damaligen Zeit kennen lernen. Es weht eine kalte Brise, aber dank den individuell einstellbaren Audiogeräten, die bequem unter Mütze und Mantel getragen werden können, folgen wir den hervorragenden Ausführungen der Stadtführerin interessiert und mit warmen Ohren. Ein Highlight jagt das andere: im Fraumünster bewundern wir die Chagall-Fenster aus nächster Nähe vom erhöhten Chor aus – und im Grossmünster zeigt uns Pfr. Christoph Sigrist die originale Zwingli-Bibel, von der es nur drei Exemplare gibt. Erwin Kollers Referat in der Krypta verbindet die Zürcher Ereignisse und leitet über zur Vorgeschichte, die sich unter anderem im damaligen Bistum Konstanz und dem dort ansässigen Reformator Ambrosius Blarer entwickelt hat.
Mit dem komfortablen Reisebus fahren wir also an den Bodensee, wo wir die Nacht verbringen. Auf dem Weg zum Abendessen im Konzil Konstanz begrüssen wir auch die Imperia, das Wahrzeichen von Konstanz, die treffend an die damaligen Verhältnisse im Mittelalter erinnert.
Die Nacht ist kurz und der zweite Reisetag führt uns unter kundiger Führung gleich auf einen Spaziergang durch die ehemalige Bischofsstadt, mit einem Besuch des imposanten Münsters. Ein genüssliches Mittagessen an der Sonne und am Wasser beschliesst den Ausflug nach Deutschland und bald sitzen wir wieder im Bus und fahren durch die liebliche Landschaft nach St. Gallen. Die Fahrten nützt unser Fachreferent für weitere Ausführungen zu Zwingli, so dass wir bei der nächsten Station bereits viel Wissen mitbringen. In der St. Laurenzenkirche in St. Gallen hören wir ein Gespräch mit Pfr. Frank Jehle über die Situation der Reformierten und ihr Verhältnis zu den Katholiken in der Ostschweiz heute. Ein weiterer Stadtspaziergang führt uns zu den Wirkungsstätten von Vadian, einem zeitweiligen Weggefährten und Studienkollegen Zwinglis. Wir sind erst zwei Tage unterwegs, aber unsere Köpfe sind bereits gut gefüllt mit Informationen, Bildern und neuem Wissen, welche sich wohl erst nach der Reise so richtig setzen werden. Etwas Erholung im sehr schönen Hotel Einstein tut uns jetzt gut.
Neuer Tag, neues Glück: nach einem erstklassigen Frühstück werden wir abgeholt für einen Rundgang in der Kathedrale von St. Gallen, die wir aus einer neuen Perspektive entdecken dürfen. Nächster Höhepunkt ist die Führung durch die Stiftsbibliothek, und wie ich finde, jedes Mal wieder ein Hühnerhaut-Moment! Bald verlassen wir die mondäne Stadt und wenden uns dem einfacheren Leben zu: Wildhaus ist unser heutiges Tagesziel, Zwinglis Geburtsort im Toggenburg. Erwin Koller erläutert uns unterwegs die damaligen Lebensumstände, und beim Besuch des Mitte des 15. Jahrhunderts errichteten Hauses mit dem mittelalterlichen Nutzgarten – heute als Zwingli-Zentrum geführtes Museum auch einen individuellen Besuch wert – erleben wir hautnah, wie sich ein Wohnraum anfühlt, durch dessen Fenster mit den Butzenscheiben der kalte Wind bläst. Die lebhafte Diskussion über den Reformator und die Auswirkungen seiner Handlungen bis in die heutige Zeit wird später beim gemeinsamen Abendessen noch intensiv fortgeführt.
Bereits bricht der letzte Reisetag an, und auch dieser ist gut gefüllt. Früh fahren wir los, damit wir rechtzeitig zum Stadtspaziergang in Chur eintreffen. Mit Johannes Comander, dem Wegbereiter der Reformation in den Drei Bünden, begegnen wir hier einem weiteren einflussreichen Zeitgenossen von Zwingli und Vadian. Heute ist es erneut bitterkalt und der Winter kündigt sich an. Der Besuch der Churer Kathedrale wärmt uns in vielerlei Hinsicht nur bedingt, doch beim Mittagessen im historischen Saal eines lokalen Restaurants werden die Gespräche unter den Teilnehmern wieder intensiver und man möchte noch nicht heimkehren. Ich werte dies als Zeichen für ein rundum erfolgreiches Reiseerlebnis…
Die „reformatorischen Puzzleteile“ setzen sich langsam zusammen und ergeben ein umfassendes Bild, welches sich mit der Aufarbeitung der detaillierten, hervorragend präparierten Unterlagen unseres Fachreferenten noch vertiefen wird.
Auf der Rückfahrt nach Zürich schwirrt uns der Kopf ob der vielfältigen Facetten dieser intensiven Kurzreise. Andererseits haben wir nun das Material und die Musse, uns mit Huldrych Zwingli eingehend auseinanderzusetzen.