Erlebnisberichte

BERICHT: Marokko

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Studienreise-marokko-Sahara Wüsteo

11. Dezember 2023 von

Das Land der tausend Pantöffelchen

Im September begann bei cotravel der Reiseherbst, und die Reise nach Marokko in Begleitung der Sozialgeografin Astrid Därr war ein fulminanter Start. In meiner langjährigen Reiseleitertätigkeit für cotravel auch ein Jubliäum, war dies doch die 50. Reise, welche ich für die Kuoni-Tochter begleitete.

Trotz des verheerenden Erdbebens, welches kurz zuvor Teile des Südens durchgeschüttelt hatte, konnte unsere Reise wie geplant durchgeführt werden, und die Marokkaner waren dankbar, dass wir obgleich der negativen Medienberichte ihr Land besuchten und dem gebeutelten Tourismussektor – dessen Wirtschaftsleistung beträgt immerhin gegen 8 % des BIP – etwas Einnahmen verschafften. Erkennbare Schäden sehen wir nur wenige, und es ist auch nicht immer sicher, ob eine Mauer nun wegen des Naturereignisses oder doch eher wegen des Alters eingestürzt ist. Die Bauweise auch alter Bauwerke besteht im Süden und im Hohen Atlas vorwiegend aus Schichtsteinen und Stampflehmziegeln, die grundsätzlich stabil und beständig sind, jedoch den Elementen auch nur beschränkt trotzen können, wenn sie nicht unterhalten werden. Der Zahn der Zeit ist gnadenlos.

So tauchen wir denn ein in eine betörend andere Welt, die uns mit fremden Geräuschen, opulenten bis umwerfenden Düften, hinreissenden Farben, bestechenden Ornamenten und einmaligen Genüssen einnimmt. Schon nach dem ersten Abendessen in Marrakech sind wir restlos begeistert.

Unterwegs nach Fès übernachten wir in Casablanca, wo wir die riesige, in sechs Jahren errichtete Moschee Hassan II mit dem 200m hohen Minarett besuchen. Die prächtige Ausstattung ist unbeschreiblich und die Handwerksarbeiten einmalig, aber es stellen sich auch gewisse Fragezeichen hinsichtlich der Erschaffung.

In Rabat beeindruckt uns der Besuch der Kasbah des Oudaïas sowie der Hassan-Turm, dessen geplante Ausmasse mich unweigerlich an den «Turm von Babel» erinnern. Eindrücklich wäre hingegen das neue Theater von Zaha Hadid, wenn vor dem einmaligen Bauwerk nicht gerade ein schmuckloser Parkplatz die Sicht verstellte. Das mit chinesischer Unterstützung gebaute Hochhaus hingegen passt gar nicht hierhin und ist ein effektiver Fremdkörper.

Die Tage in Fès sind gut gefüllt: mit Erkundungen des riesigen Souks (mit Hilfsguide, damit auch niemand verloren geht…) inkl. Kostproben der wunderbaren Süssigkeiten und Früchte; einem Besuch des Färberviertels, wo uns zur besseren Atmung ein Sträusschen Minze unter die Nase gestreckt wird; dem Ausflug nach Volubilis zu den antiken Mosaiken und nach Meknès, wo zurzeit soviel renoviert wird, dass es bei unserem kurzen Stop ausser dem Mausoleum von Moulay Ismail eigentlich nichts zu sehen gibt. Da sind wir aber auch etwas selber schuld, denn nach dem wunderbaren Picknick mit passender Degustation wären wir am liebsten gleich auf dem Weingut geblieben…

Jetzt begleitet uns auch Astrid Därr und erläutert uns viele Zusammenhänge in ihren aufschlussreichen täglichen Referaten. Spannend, denn sie kennt Marokko praktisch in- und auswendig.

Die Reise führt uns nun in den Süden, und dazu müssen wir erstmal den Mittleren Atlas überqueren. Hier kommen wir an Ifrane vorbei, einem Wintersportort à la Chamonix. Und an den berühmten Zedernwäldern – hier wächst die blaue Atlaszeder, die zusammen mit der Libanon- und der Himalaya-Zeder die weltweite Zedernfamilie komplettiert. Ein Spaziergang unter den mächtigen Bäumen an der kühlen Luft ist erfrischend. In Midelt nehmen wir Anlauf für die Querung des Hohen Atlas. Die Vegetation wird spärlicher, die Landschaft felsiger und sie verwandelt sich zunehmend in eine Steinwüste. Die mächtigen Kashbas, wo wir nun übernachten, sind willkommene Oasen der Erholung. Der Kontrast zum quirligen Norden könnte nicht grösser sein, und in den Sanddünen von Merzouga erfahren wir die Stille der Unendlichkeit und bewundern den einmaligen Sternenhimmel.

Entlang der Strasse der 1000 Kashbas fahren wir weiter nach Ouarzazate, entdecken unterwegs verborgene Schluchten, abgeerntete Rosenfelder, Affenfingerfelsen, machen einen Besuch bei einer einheimischen Künstlerin und finden uns in den Kulissen alter und neuer Kinofilme wieder. Ait Ben Haddou, seit 1987 als UNESCO Weltkulturerbe anerkannt, ist ein letztes Highlight der eindrücklichen Berberarchitektur, wo ebenfalls viele bekannte Filme gedreht worden sind. Der Turm der Festung zuoberst auf dem Hügel ist beim Erdbeben beschädigt worden. Die Schwierigkeit wird hier sein, den lebendigen Dorfcharakter trotz des zunehmenden Touristenansturms zu bewahren.

Noch einmal fahren wir über den Hohen Atlas, über den Tichka-Pass auf 2260 m.ü.M., zurück nach Marrakech. Die Fahrt ist trotz der ausgebauten Strasse ziemlich kurvig, aber nach jeder Biegung eröffnet sich ein neuer atemberaubender Blickwinkel auf die steilen Berge ringsum und später auf die Haouz Ebene. Sehr eindrücklich, und man glaubt gern, dass die geparkten Schneepflüge am Strassenrand im Winter auch effektiv eingesetzt werden müssen!

Die Tage in Marrakech verbringen wir vorwiegend kulinarisch: mit einem Besuch bei den Gauklern und Garbuden auf dem Djeema el Fna, einem Kochkurs mit anschliessendem Schmaus unter freiem Himmel (notabene: es ist Ende September…) und einem wunderbaren letzten Essen im Haus einer marokkanischen Familie.

…..Nun werden Sie sich vielleicht fragen, was denn der Titel dieses Berichts mit dem Inhalt zu tun hat? Die Geschichte geht so: in Fès bin ich in einem Laden vor einer ganzen Wand von verschiedensten Pantöffelchen (Babouches) in allen Farben, Formen, Grössen und Dekorationen gestanden und konnte mich für nichts entscheiden ob der riesigen Auswahl.

Für mich ist diese Babouches-Wand nachträglich in etwa der Inbegriff der unermesslichen Möglichkeiten geworden, die man im Lande Marokko hat: es gibt für jeden Geschmack etwas Passendes, man muss es nur erst finden. Die Qual der Wahl…

In diesem Sinn war diese eine Reise nach Marokko sicher nicht die letzte, denn es gibt noch so viel mehr zu entdecken, oder je nach Optik immer etwas anderes zu sehen als beim letzten Mal. Einmal – oder eben nur ein Paar Pantöffelchen – reicht da keineswegs aus dafür.

Marokko, auf Wiedersehen!

 

PS von cotravel:

Unsere Reisegruppe war unmittelbar nach dem Erdbeben im Land unterwegs – um die Menschen in der Erdbebenregion zu unterstützen, spendete cotravel einen Betrag in Höhe von CHF 2000 an die Organisation Glückskette, eine Schweizer Stiftung, die schnelle Hilfe vor Ort leistet. Die Stiftung arbeitet mit lokalen NGOs zusammen und stellt sicher, dass alle Gelder dort ankommen wo sie am dringendsten benötigt werden.