Erlebnisberichte

UNTERWEGS: Argentinien-Puna 2014 III

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13. April 2014 von Kurt Schaad

PUNA – WEITE EINSAMKEIT AUF 5000 METERN

Waren wir bislang häufig von Wasser umgeben, sind wir jetzt in einem Teil Argentiniens unterwegs, wo Wasser häufig Mangelware ist.  Sebastian, Marcello, Gaston und Frederico fahren uns mit ihren 4×4 Fahrzeugen durch die argentinischen Anden. Wir sind auf einer Hochebene, die sich von Peru bis Argentinien erstreckt. „Hoch“ heisst hier: rund 4000 Meter über Meer. Altiplano ist der gängige Begriff – hier heisst die Gegend „Puna“.

4x4 in der argentinischen Puna

Unsere einfachen aber zweckmässig eingerichteten Übernachtungsmöglichkeiten befinden sich etwa auf derselben Höhe wie die Mönchsjochhütte im Berner Oberland. Da wir uns stufenweise akklimatisierten, haben sich unsere Körper auf die dünne Luft gut einstellen können. Nur mit der Schlafqualität hat der eine oder andere etwas zu kämpfen. Aber das nimmt man gerne in Kauf, wenn sich dafür den staunenden Augen immer wieder neue Landschaftsbilder eröffnen, deren Einmaligkeit sich nur schwer beschreiben lässt. Jemand meint, dass nach jeder Kurve eine neue Überraschung folgt. Langweilig werde es einem mit Garantie nie.

Kurven und Überraschungen

Ein paar Millionen Jahre zuvor hatten hier aktive Vulkane für ein anständiges Chaos gesorgt. Inzwischen haben sie sich beruhigt. Übrig geblieben ist eine Landschaft wie auf dem Mars, mit dem Unterschied, dass es genügend Sauerstoff gibt – und Lamas, Strausse, Kondore, Vicunias oder seltener auch mal ein menschliches Lebewesen.

Begegnungen in der Puna

Wir geniessen Weite, Ruhe und Einsamkeit und staunen, als das Zeichen für einen unbewachten Bahnübergang auftaucht und unmittelbar danach ein Schienenstrang, der sich in der flimmernden Weite eines Salzsees verliert. Bis vor ein paar Jahren sind hier noch Güterzüge verkehrt, um Gesteine und Mineralien aus zahlreichen Minen nach Salta oder an die Küste von Chile zu transportieren. Dann hat’s nicht mehr rentiert. Die Schienen dieser spektakulären Strecke sind noch da, Züge verkehren darauf keine mehr. Wir träumen davon, hier eines Tages mit einem Personen-Zug die Anden überqueren zu können.

Die verlassene Julia

„Heute fahren wir in ein Gebiet, das für mich zum Besten zählt, was die Anden zu bieten haben!“ Sebastian schraubt die Erwartungen schon mal ziemlich hoch. So hoch wie die Höhe über Meer, die wir heute erreichen sollen: 5200 Meter! Als erstes treffen wir auf eine kleine Stadt – eine Geisterstadt. Eingestürzte Häuser und vor sich hin rostende Gerippe einer ehemaligen Produktionsanlage. 2000 Menschen haben hier mal gelebt. Es gab ein Kino, einen Kindergarten und eine Kirche. Hier wurde noch bis in die 70er Jahre Schwefel verarbeitet. Irgendwann waren die Gewinne nur noch minim und die Anlage wurde Knall auf Fall geschlossen.

Geisterstadt

Eine gelbe Spur zieht sich den Berghang hoch. In den Lorrys einer Seilbahn wurde einst der Schwefel aus dem Abbaugebiet zur Verarbeitung nach unten transportiert. Metallteile von Masten und einzelne Lorrys liegen als stumme Zeugen einstiger Betriebsamkeit achtlos am Boden. Dazwischen mäandern Drahtseile schlangenmässig den Berg hoch, dorthin, wo ein Schild hinweist: Mine Julia, 25 km. Genau dorthin geht unsere Reise.

Schwefelberg

Mit Allradantrieb arbeiten wir uns langsam den Berg hoch. Je höher wir kommen, umso stummer werden wir. Nicht wegen der dünnen Luft, sondern wegen der Szenerie, die einen sprachlos macht. Und dann sind wir oben. 5200 Meter über Meer. Ein gelber Berg mit noch deutlich sichtbaren Abbauterrassen. Fast reiner Schwefel, die ein Vulkan hier hinterlassen hat. Auch hier verlassene, eingestürzte Unterkünfte. Unvorstellbar, hier oben arbeiten zu müssen.

Die verlassene Julia

Wir sind an der Grenze zu Chile, von wo ein eisiger Wind die Knochen klappern lässt. In der Ferne erkennen wir einen Vulkan, aus dem Rauch aufsteigt. Die Erde wird hier nie ganz zur Ruhe kommen. Und ja, Sebastian hat mit seiner Ankündigung Recht gehabt.

Versteinerter Bierschaum und echter Wein

Die letzten Tage in der Puna sind weiterhin geprägt von überraschenden Begegnungen in diesem Paradies für Vulkanologen. Interessant zu wissen wäre beispielsweise, wie der perfekt geformte konische Kegel in die Landschaft gekommen ist. Er sieht zwar aus wie ein Vulkan, ist aber definitiv keiner. Faszinierend ist er allemal und für die Kameras ein  ausserordentlich begehrtes Motiv.

Fotomotiv Konus

Am Horizont leuchtet eine weisse Masse, die aus der Entfernung wie ein Gletscher aussieht. Das Werk eines Vulkans – logisch. „Das ist, wie wenn du eine Bierflasche schüttelst“, erklärt Sebastian, „dann den Verschluss aufspicken lässt und schon spritzt weisser Schaum heraus. Nachher kommt dann das Bier, respektive die Lava.“ Der „Bierschaum“ ist in unserem Fall ein riesengrosses Bimssteinfeld, in dem man sich bequem verlaufen kann. Absolut faszinierend.

Bimssteinfeld

Die Landschaftsbilder der Puna werden noch lange in unseren Köpfen hängen bleiben. Auf dem Weg zurück in die „Zivilisation“ tauchen in tieferen Lagen links und rechts der Strasse vermehrt Weinstöcke auf. Gerne überzeugen wir uns, dass argentinischer Wein ein Qualitätsprodukt ist und stossen an auf die geografische Vielfalt dieses Landes, die uns während drei Wochen unzählige unvergessliche Momente beschert hat.

 

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Zum Nachlesen: Teil I & Teil II des Argentinien-Blogs.

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