Erlebnisberichte

BERICHT: Winterzauber an Norwegens Küste

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21. März 2022 von Hans Wernhart

Viel Unverständnis schlägt mir entgegen, wenn ich erzähle, dass ich im Winter nach Norwegen reise. Kaum jemand ahnt etwas von der unvorstellbaren Faszination des winterlichen Nordens: von dem herrlichen Licht, den tiefverschneiten Bergen und Wäldern, von faszinierenden Nordlichtern und vieles mehr.

 

Unsere Reise beginnt in Oslo – in der direkt am Oslofjord gelegenen Hauptstadt Norwegens. Noch vor 60 Jahren eines der „Armenhäuser“ Europas ist es heute, Dank der riesigen Öl- und Gasvorkommen vor den Küsten eines die reichsten Länder der Welt. Und das sieht man praktisch überall!

Das moderne Opernhaus aus dem Jahr 2008, das erst 2021 eröffnete Munch Museum – beide bieten reichlich Stoff für kontroverse Diskussionen zum Thema moderne Architektur, Kunst, Tradition. Einige von uns nutzen die Gunst der Stunde und geniessen eine grossartige Aufführung von Verdis Rigoletto. Die erste Vorstellung(!) nach der langen coronabedingten Schliessung der Oper. Was für ein Auftakt unserer Reise!

Schon folgt ein weiteres Highlight: die Fahrt mit der legendären Bergenbahn von Oslo im Osten des Landes über die Berge an die Westküste. Wir erleben richtigen Winter: Bäume, die sich unter der Schneelast biegen, meterhohe Schneewälle neben den geräumten Strassen, immer wieder ein kleines Skigebiet in unmittelbarer Nähe der Bahntrasse. Leider sind die Aufenthalte unterwegs immer sehr kurz, man kann nur den Kopf aus der Tür stecken, die frischkalte Luft geniessen – zum Aussteigen reicht es leider nicht. Dabei gäbe es so viele Fotomotive…

Bergen ist einer der wichtigsten Häfen des Landes, war früher Krönungsstadt und eine der bedeutendsten Niederlassungen der Hanse-Kaufleute. Bergen ist aber auch eine der regenreichsten Städte Europas – und diesem Ruf wird es (zumindest teilweise) gerecht. Bei einem Spaziergang durch die Geschichte des Ortes, müssen wir immer wieder Schutz suchen vor dem Regen. In der Kirche werden mit einem kleinen Konzert belohnt – ein kleines Ensemble des Militär Musik Corps übt für das Mittagskonzert. Was für eine Überraschung!

In Bergen treffen wir auf Felix Blumer – er wird unsere Reise mit Vorträgen zu den Themen Nordlichter, Klima, Wetter, Wolkenbilder, Wind, Klimaveränderung u. ä. bereichern.

Und schon geht es weiter – hier in Bergen beginnt unsere Schiffsreise auf der traditionellen Postschiffroute entlang der Küste bis ans Nordkap und nach Kirkenes an der russischen Grenze. Ein brandneues, erst vor wenigen Wochen in Dienst gestelltes Schiff erwartet uns: die Havila Capella. Sie ist modern, funktionell und geschmackvoll eingerichtet. Komfortable Kabinen mit grossen Panorama-Fenstern sind unser Zuhause für die nächsten 9 Tage. Das Personal ist ausserordentlich entgegenkommend und hilfsbereit. Wir fühlen uns auf Anhieb wohl!

An Bord herrscht eine entspannte, lockere Atmosphäre – keine grosse Garderobe, kein Umziehen zum Aperitif… Alle Mahlzeiten an Bord werden serviert, es gibt keine Buffets – das gehört zum Konzept des Schiffes und ist nicht etwa Corona geschuldet!

Alles was serviert wird ist ausgezeichnet. Vorspeisen im „Tapas Stil“, kleine Portionen, so dass man sich nicht auf nur eine Vorspeise beschränken muss. Schnell gewöhnt man sich daran, zwei oder drei Vorspeisen werden schnell „normal“. Auch die Hauptgerichte sind etwas kleiner als bei uns – wer richtig Hunger hat bestellt auch gerne einmal zwei. Die immer wieder wechselnde Speisekarte bietet norwegische und internationale Spezialitäten, vor allem Fisch und Meeresfrüchte gibt es in vielen Variationen. Zum Glück kann ich ohne Probleme den Versuchungen der Dessertküche widerstehen – alle Teilnehmer sind sich einig darin, dass auch die exzellent sind. Mein Gewicht hätte eine solche Zusatzbelastung nicht vertragen!

Auf eine erste, sehr ruhige Nacht an Bord folgt der erste Landgang in Ålesund. Nach einem verheerenden Feuer im Jahr 1904 wurde die reiche Hafenstadt im damals modernen Jugendstil wieder aufgebaut. Heute kann man hier die schönsten Jugendstilbauten des Landes bewundern. Am Hafen haben wir den Fischern zugesehen, die gerade die Fänge des Vormittags verkauften. Ein Spaziergang führt uns zu einer windumtosten Anhöhe die einen weiten Blick über die Stadt, ihre vielen kleinen Stadtteilinseln und auf das Meer bietet.

Schon in Oslo hatte ich den Teilnehmern empfohlen Spikes für die Schuhe zu kaufen. Wozu? Hier so wie bei allen folgenden Ausflügen haben sich die Spikes an den Schuhen sehr bewährt. Das milde Klima an der Küste und die Schneefälle führen oft zu spiegelglatten Strassen und Gehwegen.  Es schneit, taut, friert, taut – dieser ständige Wechsel ist eine permanente Gefahr. Für die Ortsansässigen ist das ständige Anlegen der Spikes normal. Auch wir haben uns recht schnell daran gewöhnt – auch wenn es die ersten Tage recht umständlich war.

Schnell gewöhnen wir uns an den Rhythmus an Bord. Frühstück, entspannen in einer der Lounges, Fotografieren auf dem Promenade Deck ganz oben, Karten spielen mit den Reisefreunden, während die Küste, die vielen Inseln wie in einem Film vorüberziehen. Jeden Tag unternehmen wir einen Ausflug immer dann, wenn das Schiff mehrere Stunden Aufenthalt hat. Jeden Tag gibt es drei bis vier Stopps – es werden Güter und Post ausgeliefert, vielen Menschen dient diese Schiffsverbindung als praktisches Nahverkehrsmittel, schneller und bequemer sind die Nachbarsorte auf anderen Wegen nicht zu erreichen. Diese Stopps sind meist sehr kurz, so dass sich ein Landgang erübrigt.

Trondheim ist eine weitere Station auf unserer Reise entlang der Küste. Die drittgrösste Stadt des Landes war im Mittelalter Sitz des Königs und damit Hauptstadt des Landes. Der eindrucksvolle romanisch-gotische Nidaros Dom legt davon beredtes Zeugnis ab. Heute ist Trondheim ein bedeutendes Handelszentrum und eine der grössten Universitätsstädte des Landes.

Welch ein Gegensatz: vorgestern der mittelalterliche Dom von Trondheim, heute die weltberühmte Eismeerkathedrale von Tromsö, ein Wunderwerk moderner, skandinavischer Architektur. Eine Überraschung für unsere Gruppe: die Organistin Linde Mothes spielt für uns! Musik von Grieg, Vivaldi und Eftestöl. Eine gelungene Programmergänzung! Das Polar-Museum in der Stadt zeigt Ausstellungen über Eisbären, Robben, das harte Leben der Trapper und Fischer. Sonderausstellungen widmen sich den Forschungsreisen von Fridtjof Nansen und Roald Amundsen.

Unsere Schiffsreise führt immer weiter nach Norden. Wir haben grosses Wetterglück, das Meer ist spiegelglatt, der Himmel blau. Mit einer warmen Jacke kann man es auf dem Promenadendeck bestens aushalten – die Fotomotive gehen nicht aus. Man kann es kaum glauben, wenn einige der Crewmitglieder von meterhohen Wellen sprechen, davon, dass einzelne Häfen nicht angelaufen werden können. Es muss etwas Wahres dran sein: wenn Engel reisen!

Wir nähern uns dem Wunschziel aller Nordlandreisenden – dem Nordkap. Eine knappe Stunde dauert die Fahrt von der Hafenstadt Honningsvag zum Kap. Die Strasse ist gut, auf der festen Schneefahrbahn kommen wir gut voran. Das ist nicht immer so: die letzten 5 km müssen im Konvoy zurückgelegt werden – mit einem riesigen Schneepflug als „Trailblazer“. Endlich am Ziel – am Globus, dem bekannten Wahrzeichen des Nordkaps kredenze ich einen Schluck Pflümli und Schweizer Kekse! Köstlich! Im Besucherzentrum gibt es eine ökumenische Kapelle, historische Ausstellungen, einen Film über das Nordkap zu allen Jahreszeiten, Souvenirläden und ein Postamt. Hier kann man ein mit dem Tagesdatum abgestempeltes Nordkapdiplom und für seine Postkarten einen echten Nordkapstempel erhalten. Diesen Tag haben wir alle herbeigesehnt – alle waren restlos begeistert von diesem Ausflug.

Kirkenes heisst der letzte Hafen der Postschiffroute – hier wird „umgedreht“, hier beginnt die Rückreise gen Süden. Vorher fahren wir mit einem Schlitten auf das zugefrorene Meer. Auf dem Rückweg bringen wir einen Korb voller frisch gefangener, riesiger Königskrabben. Während wir das Schnee- und Eishotel besichtigen werden die Krabben zubereitet. Beim anschliessenden Krabbenessen heisst es zugreifen – all you can eat! Was für ein Fest!

Und schon beginnt die Rückreise. Hammerfest, eine der nördlichsten Städte der Welt, ist der letzte Stopp während der Seereise. Im Museum der Polar Bear Society (Eisbären Gesellschaft) werden wir alle zu Ehrenmitgliedern – und erhalten damit das Recht unser Leben lang freien Eintritt ins Museum zu haben…

Tags daraus heisst es Abschied nehmen von der Havila Capella – von all den dienstbaren Geistern, die unseren Aufenthalt so unvergesslich gemacht haben. Von den freundlichen KellnerInnen im Restaurant, der Belegschaft der Bar, dem Expeditionsteam und den hilfsbereiten MitarbeiterInnen des Housekeeping.

In Svolvaer, der Hauptstadt der Inselgruppe Lofoten gehen wir von Bord. Eine gute Stunde dauert unser Transfer bis zu unserem Quartier für die nächsten zwei Nächte: komfortable Rorbuer (Fischerhütten) in spektakulärer Lage direkt am Meer. Grossartig!

Auf einem Tagesausflug lernen wir bei sehr wechselhaftem Wetter (Schnee, Regen, Wind, Sonnenschein im 15-minütlichen Wechsel) den äussersten Südwesten der Lofoten kennen. Verschneite Sandstrände, malerische Fischerorte, spektakuläre Felsküsten. In einem von aussen völlig unscheinbaren Gasthaus ein ausgezeichnetes Mittagsmahl – Gourmetküche vom Feinsten. Das Lokal Maren Anna hat eigens für uns geöffnet. In der Nebensaison bleibt es sonst meist geschlossen.

Ein letztes Abendessen in unserem Quartier, es heisst sich auf die Heimreise vorbereiten, Koffer packen. Tags darauf geht es schon um 08.30 Uhr los. Die Fahrt zum Flughafen in Evenes dauert zwischen 4 und 5 Stunden – nicht berücksichtigt dabei: die Brücken, die über schmale Meerengen führen, werden bei starkem Wind gesperrt. Für diesen Tag sind gegen Mittag starke Winde angesagt. Wir sind frühzeitig an den Brücken, können problemlos darüberfahren. Wie wir zwei Tage später erfahren werden, hatten unser Fahrer Bernt und unser Local Guide Veronika am Rückweg nicht so viel Glück… Sie mussten vor der zweiten Brücke übernachten und kamen erst einen Tag später nach Hause.

Unser Rückflug verläuft unspektakulär. Alle sind froh, ohne umzusteigen direkt nach Zürich fliegen zu können. Eine unvergessliche Reise.

Ich finde, der Werbeslogan „die schönste Seereise der Welt“ ist absolut zutreffend!

 

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