25. September 2014 von und Peter Lorenz
WARUM? …DARUM!
Was willst du denn in Albanien? Häufig musste ich mir dies von Familie, Freunden und Bekannten anhören, als ich meine Pläne mitteilte: eine Rekognoszierung nach Albanien für die kommende Tagblatt-Leserreise. Je öfter man mir das sagte, desto grösser wurden meine Vorfreude und Neugierde über eines der letzten, noch etwas unbekannteren Länder Europas.
Lange Zeit abgeschottet – während des Kommunismus unter Enver Hoxha – wie heute nur noch Nordkorea und umzingelt von den Konflikten des ehemaligen Jugoslawiens, ist das Land in unseren Medien praktisch inexistent und in unseren Köpfen eher negativ behaftet.
Was ich in Albanien gesehen und erlebt habe? Darüber kann ich nach meiner 6-tätigen Reko-Tour in Albanien viele interessante Geschichten erzählen! Spuren, die weit in die Antike zurückreichen; Illyrer, Hellenen, Römer, Phönizer – alle haben kulturelle Fussabdrücke hinterlassen. Faschisten, Kommunisten, Nazis; auch sie waren alle vor Ort. Und omnipräsent: der Stolz auf Skanderbeg. Der Nationalheld mit einem unterstützenden Netzwerk in ganz Europa verteidigte das Land im 15. Jh. eisern gegen die Osmanen.
Muslime, Juden, orthodoxe Christen, alle leben sie friedlich nebeneinander. Die sakralen Bauten der verschiedenen Religionen stehen auf kleinstem Raum beieinander – so nah, dass es häufig pro Stadt nur einen Friedhof gibt. Bei der Fahrt durchs Land fällt einem ausserdem auf, wie ineinander verkeilt die geschichtlichen und religiösen Spuren sind, sodass man häufig die Merkmale verschiedener Epochen – wie die Jahresringe der Bäume – einer einzigen Mauer ablesen kann.
Tiefen Eindruck hinterlässt beim Besuch des Landes die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Albaner, die gerne mit einem Schluck Raki auf die neu gewonnenen Freundschaften anstossen. Die mediterrane Küche findet in Albanien wohl eine ihrer schmackhaftesten Versionen: Fisch jeden Tag frisch auf dem Teller, der würzige Schafskäse direkt vom Bauern auf dem Markt gekauft und dazu frisches Gemüse ohne jegliche Verwendung von Pestiziden.
In den hektischen letzten Jahrzehnten haben die Albaner schon viel erlebt… Dadurch wurden viele zu begabten Geschichtenerzählern. Sei es der Studienkollege vom ehemaligen nordkoreanischen Diktator Kim-Jong Il; der Zwanzigjährige, der alte Mercedesmodelle von Deutschland nach Albanien überführte oder der Archäologe, der jeden Tag auf den historischen Feldern Neues ausgräbt. Interessantes aus dem Leben hat jeder zu berichten.
Nachfolgend möchte ich einige meiner schönsten Reisemomente in Albanien teilen und hoffe meinen Teil beizutragen, damit die Vorurteile über dieses schöne Land am Mittelmeer verschwinden.
OSMANEN, KIRCHEN UND POLITIK
Ein Merkmal Albaniens: Die verschiedensten Stile koexistieren auf engstem Raum. Auf dem Skanderbeg-Platz in Tirana sieht man Beispiele der Geschichte vor sich: links das Theater aus der kommunistischen Zeit, daneben ein Hochhaus des modernen Kapitalismus, die von den Osmanen gebaute Moschee. Und rechts die Gebäude im italienischen Stil – gebaut während Mussolinis faschistischer Besatzung.
Auch die Religionen scheinen ineinander verschmolzen. Zwischen den Ruinen der Rozafa-Burg, auf einem Hügel oberhalb von Shkodër, sind die Spuren einer christlichen Kirche zu erkennen sowie auch diejenigen einer Moschee. Solche und ähnliche Beispiele habe ich in ganz Albanien angetroffen.
In Berat kam ich aus dem Staunen nicht mehr raus. Die UNESCO-geschützte Stadt ist ein kleines Juwel Mittelalbaniens. Alle drei Stadtteile sind im osmanischen Stil gebaut. Zurecht trägt sie den Namen „Stadt der 1000 Fenster“. Hier kann man stundenlang durch die engen Gassen schlendern, den Leuten zuschauen oder die sehr gut erhaltenen Werke des albanischen Ikonenmalers Onufri im Museum bestaunen.
DER BEKTASCHI-ORDEN
Die Begegnung mit einem Derwisch des sufistischen Bektaschi-Ordens regte zum Nachdenken an. In ganz Albanien gibt es heute 16 Babas und 6 Derwische dieser Bruderschaft. Wir besuchten eine Tekke, eines ihrer Zentren, in den Bergen von Gjirokastër. Der Derwisch freute sich über einen Gedankenaustausch mit uns. Auch hier spürten wir die Gastfreundschaft der Albaner – spontan lud man uns zum Mittagessen ein. Und wie überall in Albanien wurde auch hier Raki, der beliebte Schnaps, serviert… Nach zwei Stunden im gemütlichen Besucherraum der Tekke fuhren ich und meine beiden Begleiter ganz nachdenklich weiter ans Meer. Das Treffen und die tiefgründigen Gespräche gingen uns allen sehr nah.
BRACHLIEGENDE ANTIKE
Die antiken Spuren der Hellenen und Römer sind im ganzen Land zu sehen. Die schönsten Ausgrabungen befinden sich in Butrint und in Apollonia – wo auch heute Archäologen vor Ort am Werk sind und praktisch jeden Tag etwas Neues finden. Erst ca. 5% der ehemaligen Stadt Apollonia sind beispielsweise bisher ausgegraben.
In Durrës befindet sich eines der grössten Theater der römischen Zeit. Dieses wurde erst per Zufall um 1960 unter einem Erdhügel entdeckt. Solche Schätze lauern noch überall unter dem Boden Albaniens. Die Ausgrabungsstätten wirken sehr „authentisch“ – zum Teil fühlte ich mich wie Indiana Jones! Hinter jedem Baum schien eine weitere Ruine zum Vorschein zu kommen.
ALBANISCHE RIVIERA
Schönste, unverbaute Küstenabschnitte mit kristallblauem Wasser. Die Albanische Riviera bietet hinter jeder Kurve neue Ausblicke. Der Küstenstrasse entlang zu fahren ist ein Traum.
SPUREN DES KOMMUNISMUS
Seien es die Plattenbauten, die charakteristischen Denkmäler, die grosszügige Architektur oder Hoxhas Bunker, sie alle haben für den Betrachter ihren Reiz. Gepaart mit den Geschichten, die die Albaner aus erster Hand darüber zu erzählen wussten, konnte ich mir ein wenig vorstellen, was es hiess, abgeschottet vom Rest der Welt zu leben.
UNTERWEGS IN ALBANIEN
…heisst, die Augen aufmachen und überall Schönes und Skurilles antreffen. Frischer Honig sowie Früchte und Gemüse werden entlang der Strasse verkauft. Überraschend viele Mercedes sowie auch Pferdekutschen sind im Verkehr zu sehen. Auf den Märkten herrscht viel Leben und das Angebot ist reich und faszinierend – ich kam aus dem Staunen nicht mehr raus.
Was mich aber am meisten berührte, war die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Albaner. Wohin ich kam – ich wurde überall freundlich empfangen und bei Speis und Trank habe ich gemeinsam mit ihnen viel gelacht.
MEHR SEHEN, ANDERS ERLEBEN – ALBANIEN
Fotoalbum mit mehr Einblicken ins Land auf Facebook.