Erlebnisberichte

ZUM JAHRESWECHSEL: Trump trumpft auf

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17. Januar 2017 von und Urs Schoettli

GEDANKEN ZUM VERHÄLTNIS USA-CHINA

„Like a bull in a china shop“ heisst auf Englisch sich wie ein Trampel benehmen. Für den neuen amerikanischen Präsidenten, Donald J. Trump, gilt dies im wörtlichen Sinne. Mit seinen Kommentaren zu China und Japan hat er in der Tat so viel Aufregung in Ostasien ausgelöst, wie es sie seit dem historischen China-Besuch von Präsident Richard Nixon und der Anerkennung der Volksrepublik durch Washington am 1. Januar 1979 nicht mehr gegeben hat.

Zunächst liess er im Wahlkampf mit der Aussage, dass der Bündnispartner Japan zu wenig für den amerikanischen Schutz leiste und Tokio sich zur eigenen Verteidigung Atomwaffen beschaffen solle, die Alarmglocken läuten. Kurz vor der Amtsübernahme spielte er mit dem Feuer, indem er die Ein-China-Politik in Frage stellte und damit ein grosses diplomatisches Tabu verletzte.

Auch Europa und die beiden Nachbarn Mexiko und Kanada werden viele Veränderungen zu gewärtigen haben. Doch im Falle Ostasiens steht besonders viel auf dem Spiel, nicht nur Friede und Stabilität in einer Region mit vielen verdeckten und offenen Konfliktherden, sondern in der Welt insgesamt.

Zunächst eine ernüchternde Erkenntnis: In den letzten 200 Jahren ist es jedesmal, wenn eine neue Weltmacht ihren „Platz an der Sonne“ errang, zu grossen Kriegen gekommen. Dies war bei Napoleon, bei Bismarcks Deutschem Reich, bei Hitlers Drittem Reich und beim japanischen Imperium der Fall. Bislang ist Chinas Rückkehr zum asiatischen Hegemon und zur neu-alten Weltmacht friedlich verlaufen. Dies braucht allerdings nicht auf immer so zu bleiben.

AKTEUR CHINA

Schon vor dem Aufstieg des Donald Trump war zu erkennen, dass China auch militärisch verstärkt seine Muskeln spielen lassen will. Die Welt wurde durch die schrittweise Vereinnahmung des Südchinesischen Meers durch Beijing aufgeschreckt. Indem China jedes Atoll und jeden Felsbrocken, der aus dem Meer ragt, zu seinem Territorium erklärte, wurde das Südchinesische Meer zum chinesischen „mare nostrum“. Inzwischen ist auch bekannt, dass die dortige chinesische Militärpräsenz stärker und gefährlicher ist, als zuvor angenommen. Für die Zukunft des internationalen Freihandels ist dies ein böses Omen.

Ohne Zweifel werden die kommenden vier Jahre durch das chinesisch-amerikanische Verhältnis geprägt werden. Dabei gibt es unzählige Friktionen. Solche, die bereits heute bekannt sind, und noch viel mehr verborgene oder verdrängte Konfliktgegenstände. Die Sache wird nicht vereinfacht dadurch, dass zwei Konzeptionen von Weltherrschaft – die amerikanische, imperial-maritime und die chinesische, kontinental-hegemoniale – sich gegenüberstehen und wohl ins Gehege kommen werden.

Trumps Auftrumpfen ist selbstverständlich eine Option, welche die Amerikaner haben, denn noch sind sie die unbestrittene Weltmacht Nummer eins. Doch birgt eine solche Politik erhebliche Gefahren in sich, insbesondere dann, wenn sich China zu unbedachten Reaktionen verleiten lässt. Zum einen wiegt das Gewicht der Geschichte schwer auf Ostasien, denken wir nur an die japanische Erniedrigung Chinas und an die Brutalisierung von dessen Bevölkerung während der japanischen Besetzung. Auch ist in Rechnung zu stellen, dass in Ostasien, insbesondere auch in Beijing, Gesichtwahren und Gesichtgeben ganz wichtige Instrumente der Aussenpolitik sind.

Trumps verbale Brachialgewalt wird in China nicht nur als Ausdruck von Barbarei gesehen, die man als die mangelnde Bildung eines vulgären Amerikaners abtun kann. Es steht viel mehr auf dem Spiel. Nach zwei Jahrhunderten, in denen China wiederholt zum Opfer von ausländischen Aggressoren wurde, ist das Reich der Mitte heute endlich wieder die Weltmacht, die es während zahlreichen Jahrhunderten seiner langen Geschichte gewesen war.

Xi Jinping, der im Spätherbst 2017 mit praktisch grösster Gewissheit für eine weitere fünfjährige Amtsperiode zum Generalsekretär der KPC bestellt werden wird, hat heute mehr Macht als sein Vorgänger Hu Jintao. Dennoch wird ihm sehr scharf auf die Finger geguckt. Sein „Mandat des Himmels“ besteht darin, nicht nur für die wirtschaftliche Erstarkung und die innere Ordnung und Sicherheit Chinas zu sorgen, sondern auch zu gewährleisten, dass China in der Welt respektiert und dem Status einer Weltmacht entsprechend behandelt wird. Sollte er hierbei versagen, wäre er schnell vom Fenster weg.

DIE TRUMPSCHE PROVOKATION

Die kommenden Monate werden weisen, ob Trump seine Politik des Auftrumpfens gegenüber China beibehalten wird. Viel steht für beide Länder und für die Welt insgesamt auf dem Spiel, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sicherheitspolitisch. Warnzeichen, was bei einer Fortsetzung der Trumpschen Provokationen geschehen könnte, gibt es bereits mehrere. Am deutlichsten kommentierte die gewohnt nationalistische chinesische Zeitung „Global Times“, die unlängst in Erinnerung gerufen hat, dass man die Taiwanfrage ja auch mit militärischen Mitteln, will heissen einer Invation der Insel, bereinigen könnte. Was dies für eine an Krisen und Konflikten bereits überreiche Welt bedeuten würde, lässt sich nur in schwärzesten Szenarien ausmalen.

So wie ich das sehe, hängt die Welt in der nächsten Zeit ganz entscheidend davon ab, dass die Führung in Beijing sich in Zurückhaltung und Weisheit übt. Sich vom amerikanischen Trampel provozieren zu lassen, wäre die falscheste Reaktion. Es ist nicht zu weit hergeholt, zu vermuten, dass Teile der amerikanischen Elite davon träumen oder gar darauf zählen, dass Trump gegenüber China die Rolle von Reagan gegenüber der Sowjetunion spielen wird. Reagan, wie Trump ein exzellenter Communicator, schuf es, die UdSSR niederzuringen.

Bei China liegen die Verletzlichkeiten sicher anders als bei der Sowjetunion. Doch kann niemand, der nicht in blinder China-Euphorie denkt, verkennen, dass die Volksrepublik ungeachtet aller, vor allem wirtschaftlicher Stärke, ein Koloss auf tönernen Füssen ist. Verletzlich ist vor allem das Finanzsystem, dessen Modernisierung mit dem Alleinmachtanspruch der KPC nicht vereinbar ist.

Das Dilemma liegt darin, dass, sofern Beijing im selben Masse wie die USA eine Supermacht sein will, es dies nur mit Hilfe eines modernen, transparenten und global kompetitiven Finanzsystems werden kann. Davon ist indessen die Volksrepublik noch weit entfernt, was natürlich der global dominanten amerikanischen Finanzindustrie nicht entgangen ist. Nicht ohne Grund haben in Trumps Kabinett wichtige Exponenten von Wall Street Ensitz gefunden. Sie wissen, wo die Chinesen verletzlich sind und wo man sie beim Wickel fassen kann.

 

MEHR SEHEN, ANDERS ERLEBEN – URS SCHOETTLI

Künftige Reisen mit Urs Schoettli.