Erlebnisberichte

BERICHT: Anatolien 2014 mit Erwin Koller I

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13. Mai 2014 von Walter Bührer

Vielfalt Anatoliens

Beim Überfliegen von Anatolien erhält man leicht den Eindruck, man befinde sich über ödem, menschenleerem, gelegentlich wüstenhaftem oder gebirgigem Gebiet. Nichts deutet darauf hin, dass diese kahlen Hochebenen eine der Wiegen menschlicher Zivilisation gewesen sind. Dass hier schon im zweiten Jahrtausend vor Christus Hochkulturen bestanden, die alles im damaligen Europa in den Schatten stellten.

Wer weiss denn, dass es ohne die rasche Ausbreitung des Christentums in Anatolien kaum eine Christianisierung in Europa gegeben hätte? Dass die meisten frühen Konzilien auf kleinasiatischem Boden stattfanden? Dass es hier bereits in der Antike Städte mit mehr als einer halben Million Einwohnern gab?

Tagblatt Anatolien April 2014_Ephesos

Die cotravel Reise mit Erwin Koller, die ich als Reiseleiter begleiten durfte, war denn auch keine Ferienreise der üblichen Art. Zwar besichtigte die cotravel Gruppe die Sehenswürdigkeiten Kappadokiens, Konyas sowie Ephesos‘ und die Sinterterrassen von Pamukkale – nicht anders als Hunderte anderer Reisegruppen, denen wir auf unserer Fahrt durch Anatolien begegneten.

Tagblatt Anatolien April 2014_Derwische

Dank den täglichen Referaten des Religionswissenschaftlers Erwin Koller erhielt die Gruppe indessen die Möglichkeit, die Vielzahl der Eindrücke einzuordnen und die aufeinanderfolgenden Zivilisationen im kleinasiatischen Raum kennenzulernen: Hethiter, Urartäer, Phryger, Lyder, Seleukiden, Griechen, Römer, Byzantiner und – nach der Islamisierung – Seldschuken und Osmanen. In Tarsus sowie in Antiochia in Pisidien folgte die Gruppe den Spuren des Apostels Paulus, der in Anatolien erste christliche Gemeinden gegründet hatte.

Tagblatt Anatolien April 2014_Erwin Koller in Ephesos

Um zur einstigen Hethiter-Hauptstadt Hattusa zu gelangen, unternahmen die cotravel Reisenden von Kappadokien aus eine rund siebenstündige Fahrt. Anders als in Kappadokien mit seinen malerischen Felstürmen waren sie hier, im ehemaligen Zentrum eines der mächtigsten nahöstlichen Reiche, fast allein – abgesehen von einigen Schaf- und Ziegenherden. Kaum ein anderer Tourist „verirrte“ sich am gleichen Tag dorthin!

Tagblatt Anatolien April 2014_Hattusa

Schade, dass die cotravel Gruppe Antakya, das antike Antiochia, nicht wie geplant besuchen konnte! Dies hatte Sicherheitsgründe. Denn Antakya liegt nahe der Grenze zu Syrien, und die Reisewarnungen des EDA sind für Schweizer Reisegruppen verbindlich. Die Gruppe hätte nahe der Stadt den Musa Dagh besucht – einen der Orte, wo die vom Jungtürken-Regime verfolgten Armenier 1915 erfolgreich Widerstand geleistet hatten. Der jüdische Schriftsteller Franz Werfel hat diesem Kampf mit dem Roman „Die 40 Tage des Musa Dagh“ ein literarisches Denkmal gesetzt. Gleichwohl befasste sich die Gruppe intensiv mit dem damaligen Völkermord an den Armeniern: Erwin Koller schilderte in eindringlichen Worten die Voraussetzungen, die zur Vertreibung und Ermordung Hunderttausender von Armeniern während des Ersten Weltkriegs geführt hatten. Bemerkenswert, dass gerade während unserer Reise mit Premierminister Erdogan erstmals ein türkisches Regierungsmitglied dem armenischen Volk sein Beileid für die Geschehnisse von 1915 ausdrückte (ohne freilich das Wort „Völkermord“ zu verwenden). Die cotravel Reise bot nicht zuletzt mannigfache Gelegenheit, sich mit der aktuellen Türkei und ihren Problemen auseinanderzusetzen.

Tagblatt Anatolien April 2014_Sirince

 

MEHR SEHEN, ANDERS ERLEBEN: KASTILIEN, ROM

Im September 2014 führt Sie Erwin Koller in die christliche Mystik von Kastilien ein. Die zahlreichen historischen Schichten der Ewigen Stadt Rom entdecken Sie im Oktober mit Peter Blome.