07. April 2014 von Kurt Schaad
TANGO, EIN TRAURIGER GEDANKE, DEN MAN TANZT
Mitte März machte sich eine cotravel Gruppe auf, das argentinische Abenteuer Puna zu erleben. Vor der Weiterreise in die Hochwüste ergab sich aber die Gelegenheit, in der Hauptstadt Buenos Aires einer Milonga, einer Tangoveranstaltung, beizuwohnen.
Sanft legt sie ihren linken Arm auf seinen Rücken. Die Hand ruht knapp unterhalb des Nackens. Nur ein Zentimeter weiter oben und man hätte darin einen Anflug von Zärtlichkeit erkennen können. Ihre Wange nähert sich behutsam seiner Wange, so dass gerade noch ein Blatt Papier zwischen den beiden Köpfen Platz hat. In laszivem Zeitlupentempo schliesst sie ihre Augen, die sie in den kommenden zwei Minuten nicht mehr öffnen wird. Seine rechte Hand ruht kräftig, aber ohne sichtbaren Druck, in ihrem Kreuz. Die linke Hand ist auf der Höhe des Kopfes zu einem Gefäss geformt, in dem die rechte Hand der Frau angespannt zu ruhen scheint. Wie eine Statue stehen beide unbeweglich auf der Tanzfläche inmitten anderer Paare, die sich schon seit einiger Zeit langsam über den Marmorboden bewegen. Man spürt, wie sich in der starren Haltung des Paares immer mehr Energie ansammelt, die sich schliesslich in einer kleinen kreisenden Bewegung des linken Fusses der Frau entlädt, dem ein erster, bestimmter Schritt des Mannes folgt. Mit Leichtigkeit, getrieben von hoher Konzentration, versinkt das Paar in den Akkorden melancholischer Musik. Wir sind definitiv in Buenos Aires angekommen, in der Welthaupstadt des Tangos. In einem nüchternen Veranstaltungslokal, in dem an diesem Nachmittag eine Milonga stattfindet.
Ein Tanznachmittag, würde der unbedarfte Besucher sagen. Aber hier wird mehr als getanzt, hier wird Tango zelebriert. An der einen Seite des Saals sitzen die Damen, an der anderen die Herren. Wird der Blickkontakt des Herrn erwidert, trifft man sich auf der Tanzfläche zu drei Tangostücken. Anschliessend setzt man sich, um erneut den Blickkontakt zu suchen. Für den Herrn ist es nicht schicklich, mehr als drei Mal mit der selben Dame zu tanzen. Eine Dame ohne Tangoschuhe wird gar nicht erst zum Tanz aufgefordert. Und falls ihr Können nicht über die Grundkenntnisse des Tangos hinaus geht, dürfte sie die Tanzfläche nicht mehr oft betreten. Das hier ist keine Veranstaltung für Partnervermittlung. Hier wird nicht angebaggert, hier wir ein Lebensgefühl gelebt. Einer hat mal geschrieben, Tango sei ein trauriger Gedanke, den man tanzt. Wer wie wir das Glück hat, eine authentische Milonga zu erleben, kann bestätigen, dass diese Beschreibung mehr als zutreffend ist.
Es folgt Teil II des Reiseberichts über die cotravel Argentinienreise: „Gauchos, Piranhas, Kaimane und ein tosender Wasserfall“.