
01. März 2019 von Verena Biedermann
Nach gut neunstündiger Flugzeit spuckte uns die Edelweiss-Air auf dem Rollfeld in Havanna aus, um uns auf die sechzehntägige Kulturreise zu entlassen.
Havanna war nur eine von mehreren UNESCO-Weltkulturerbe-Destinationen, die wir besuchten. Die stets pulsierende Stadt beeindruckte nicht nur wegen den zahlreichen touristischen Sehenswürdigkeiten, sondern auch aufgrund der Vielfalt, die wir in diesem immer noch sehr sozialistisch geprägten Land antrafen. So zeigte uns das Referat und die Gespräche mit dem Schweizer Botschafter, Marcel Stutz, auf, wie stark sich die Einschränkungen aus Politik und Militär auf die Bevölkerung und die (Aussen)Wirtschaft auswirken. Im Hotel Riviera konnten wir hautnah nachvollziehen, mit welcher Macht und Kraft die Mafia ihre Machenschaften ausübte.
Als kulturelle Gegensätze wirkten der Besuch hinter und später vor der Bühne der weltbekannten Tanzgruppe Havana Queens, der Jugend-Boxschule Rafael Trejo oder dem exklusiven Konzert des Kammerorchesters Camerata Romeu im Paladar Il Divino. Die kurze Führung durch den ökologisch betriebenen privaten Farmbetrieb (17 ha) veranschaulichte, welche Möglichkeiten sich auftun, wenn soziales und marktwirtschaftliches Gedankengut sich entfalten dürfen.
Insel der Gegensätze
Ein krasser Gegensatz dazu war die Besichtigung der Zigarrenfabrik Corona (fotografieren verboten!), wo Reihe an Reihe Menschen eng zusammensassen und Zigarren aller Grössen von Hand drehten – bewundernswerte Handfertigkeit mit strengster Qualitätskontrolle. Dies erinnerte mich an die Zustände in unseren Textilfabriken im 19. und 20. Jahrhundert: lärmig, schmutzig, schlecht belüftet, SUVA-untaugliche Platzverhältnisse etc.
Ein weiterer Höhepunkt bildete auch die Oldtimerfahrt mit dem Zwischenstopp bei der Christus Statue, dem Che-Museum sowie dem Castillo de los Tres Reyes del Morro und dann zurück durch den El Bosque de Habana. Zum Abschluss unseres Aufenthaltes in Havanna stand Cojímar auf dem Programm. An der Hafenpromenade erinnert seit 1962 eine aus Messingarmaturen von Schiffen gegossene Hemingway-Büste (übrigens mit falscher Angabe seines Geburtstages!) in einem sechssäuligen Rondell an den Amerikaner. Den fast schon üblichen Apéro gab es im Restaurant La Terraza (früher Las Arecas). Dort schrieb Ernest Hemingway, der mit den Fischern des Dorfes befreundet war, zwei seiner Romane (Die Titel konnte ich leider nicht eruieren).
Das ländliche Kuba
Je mehr wir in ländlichere Gebiete kamen, desto unverkennbarer stiessen wir auf ein authentischeres Kuba. Die Unterkünfte und das Essen wurden einfacher. Die Standards in den sogenannten Casas Particulares (private Pensionen) können allerdings in Bezug auf Gast- und Hilfsbereitschaft, Sauber-keit und Essensqualität mehr als nur mit den grossen Stadthotels mithalten.
Die Höhepunkte auf dem Weg nach Trinidad waren die Fahrt mit dem Elektrozug vom Hershey-Dorf nach Jaruvo und die darauffolgende Besichtigung der Zuckerfabrik Boris Luis. Für uns fast unbegreif-lich, dass mit derart veralteten Technologien und Maschinen verschiedenster Provenienz überhaupt noch Zucker hergestellt werden kann.
Die von Spaniern 1514 gegründete Stadt Trinidad an der Südküste Kubas verdankt nach wie vor ihren Wohlstand dem Zucker und dem damit verbundenen Sklavenhandel. Im nahe gelegenen Valle de los Ingenios gab es zur Blütezeit 45 Zuckerrohrplantagen mit jeweils 100 bis 200 Sklaven. Auf einem der Aussichtpunkte fiel es nicht schwer, sich ins 18. und 19. Jahrhundert zurückzuversetzen und sich die Herrschaftsvillen der Zuckerbarone vorzustellen.
Endlich konnten wir auch einmal das Meer geniessen – nach einer gemütlichen Katamaranfahrt auf die Cayo Iguana mit ihren nach Essen bettelnden Leguanen und Baumratten. Glücklicherweise sind beides Vegetarier.
Nach einer holprigen Fahrt mit einem alten russischen LKW genossen wir den Spaziergang im Nationalpark von Topes Collantes (800 m ü. M.). Die vielfältige und üppige Flora und Fauna luden zum Verweilen und Geniessen ein. Einige entdeckten sogar Kuba’s Nationalvogel, den blau, rot, weiss gefiederten Tocororo (Kubatrogon). Die Bevölkerung dieser Region lebt vor allem vom Kaffeeanbau und der Landwirtschaft.
Bereits ging es weiter zur Peninsula de Zapata. Ciénaga de Zapata (Sumpf von Zapata) ist ein kubanisches Municipio auf der Zapata-Halbinsel mit der legendären Schweinebucht (1961 Invasion von Exkubanern und unter Mitwirkung des CIA). Die Halbinsel ist das flächenmässig grösste und am wenigsten bevölkerte Municipio Kubas (2.1 Einwohner/km²). Wegen ihrer einzigartigen Naturreich-tümer wurde diese Region zum UNESCO-Biosphärenreservat deklariert.
Die frühmorgendliche Besichtigung der aus Karstablagerungen entstandenen Cueva de los Peces (tiefste Höhle ist 72 m) in verträumter Umgebung und dem Lichtspiel im glasklaren Wasser ist absolut ein idyllischer Ort, bis er von Touristen eingenommen wird. Danach genossen wir unsere freie Zeit und das Schwimmen in der Caleta Buena in Playa Maceo in fast spiegelglattem Wasser und einer grossen Vielfalt an Fischen.
Das grüne Las Terrazas
Unsere letzte Station in Kuba führte uns nach Las Terrazas in der Provinz Pinar del Rio. Las Terrazas unterscheidet sich in jeglicher Hinsicht vom restlichen Kuba. Diese wahr gewordene grüne Fata Morgana wurde nach umfangreichen Rodungen für den Kaffeepflanzenanbau und einem verheerenden Waldbrand ab 1968 wieder aufgeforstet, um die Bodenerosion zu stoppen. Auf einer Länge von 1500 km wurden über sechs Millionen Bäume im UNESCO-konformen Biosphärenreservat terrassiert angepflanzt. Das leider in die Jahre gekommene Öko-Hotel Moka hat idyllische Sicht über den Stausee, die halbrund angelegten Plattenbauten und die traumhafte Szenerie der Hügel. Eine Besonderheit dieses Hotels ist, dass die bestehenden Bäume in die Architektur miteinbezogen wurden – so wächst beispielsweise ein rund hundertjähriger Johannisbrotbaum durch die Reception in die Höhe.
Wenn schon in Las Terrazas durfte natürlich ein Besuch des legendären kubanischen Country- und Folksängers Polo Montañez (1955-2002, Spitzname «Little Wizard») nicht fehlen. Nachdem 1971 seine Familie nach Las Terrazas umgezogen war, arbeitete er tagsüber als Holzfäller und Traktor-fahrer, nachts sang oder spielte er die Conga (Fasstrommel afrikanischen Ursprungs) zusammen mit seinen sechs Geschwistern in verschiedenen Bars.
Unser lokaler Guide, Argel, ermöglichte uns spontan und unkompliziert einen Besuch in der lokalen Schule (1000 Einwohner, 272 Schüler – Grundschule bis Polytechnikum). Sehr beeindruckend waren die Disziplin der Schüler aber auch die verschiedenen didaktischen Methoden der Lehrer. Besonders erfreut waren wir natürlich darüber, dass wir unsere letzten Geschenke (Buntstifte, Seifen, Shampoo, Kleider, Schuhe etc.) dem Schulleiter übergeben konnten. Das abendliche vegetarische Essen im El Romero war für uns Schweizer einfach toll – Kubaner mögen eben immer und viel Fleisch.
Rund um den Tabak
Zum letzten Mal ging es dann noch auf die Tabakroute ins Valle de Viñales, das in den sogenannten Orgelbergen liegt. Der Besuch der Vegas Robaina, die auf Zigarrendeckblätter spezialisiert ist, und dem Bio-Zigarrenhersteller Macondo waren ein letztes unvergessliches Erlebnis, das wir mitnehmen konnten. Dabei soll jedoch Soroa nicht vergessen werden mit seinem vielfältigen Orchideenhaus und dem gepflegt angelegten tropischen Garten. Auch der Weg zum Wasserfall – über 300 Stufen runter und wieder hoch – war lohnenswert, dies nicht zuletzt, weil es tags zuvor stark geregnet hatte. Naturschauspiel einmal mehr.
Das Abschlussessen im El Jardin de los Milagros – mit seinem Urban Garden auf der Terrasse – war ein toller Ausklang. Danach gab es noch einen letzten Rum am Malecon in Havanna.
Zu erzählen gäbe es noch einiges, insbesondere auch die Gegebenheiten zu Land und Leuten, Wirt-schaft und Leben, Schule und Medizin sowie zum Sozialsystem von Kuba. Argel, unser lokaler Guide, hat uns dazu so viel erzählt …
Auch Matthias Knecht hat uns ein unvergessliches Hintergrundwissen aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen und seinem Expertenwissen über Kuba vermitteln können.
Zusammen mit meinen tollen Gästen lernte ich Kuba als ein ganz besonderes Land kennen. Ich bewundere vieles an Kuba, mag die lebensfrohen Menschen, die in einem sehr schwierigen Umfeld leben und stets Salsa, Mambo, Rumba etc. aber auch Mojito, Kuba Libre, Dajqiuri im Blut haben. Nach Hemingway: „Mi Mojito en La Bodeguita, mi Daiquiri en El Floridita“.
Viel Spass beim Lesen, eure Cotravel-Reiseleiterin, Verena Biedermann, Dezember 2018