Erlebnisberichte

ZUM JAHRESWECHSEL: Wieder Hoffnung für Syrien

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17. Januar 2017 von Michael Wrase

AUSBLICK IN DEN NAHEN OSTEN

Zum Jahreswechsel schweigen in Syrien die Waffen. Nicht überall. Einzelne Verstösse wird es immer wieder geben. Nach vielen Enttäuschungen mehren sich jedoch die Anzeichen dafür, dass die von Russland und der Türkei vermittelte Feuerpause länger halten wird, als die zuvor von den Vereinten Nationen proklamierten Waffenruhen.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass es Vladimir Putin – und nicht der Friedenspreisträger Barack Obama – war, der zusammen mit Recep Tayyip Erdogan die Waffen der Bürgerkriegsparteien vorerst zum Schweigen brachte. Die beiden Politiker hatten im zurückliegenden Jahr versucht, den Krieg in Syrien mit militärischen Mitteln zu entscheiden. Mit massiver Waffenhilfe für islamistische Rebellengruppen glaubte Erdogan die Schlacht um Aleppo gewinnen zu können – bis er von Putins Luftwaffe in die Schranken gewiesen wurde und den Schulterschluss mit dem russischen Machthaber suchte.

In der so blutigen Geschichte des Nahen Ostens hat schon immer das Recht des Stärkeren regiert. Der ungelöste Konflikt um Israel und Palästina ist nur einmal ein Beispiel dafür. Natürlich schaffen die „Stärkeren“ keinen Frieden. Darum geht es in Syrien gegenwärtig auch nicht. Für die Menschen in dem Bürgerkriegsland sei es einfach wichtig, „dass es jetzt zumindest eine Pause und irgendeine Form gibt, wo sie wieder in die Zukunft sehen können“, betonte Elias Perabo von der oppositionsnahen Organisation „Adopt a Revolution“ vor einigen Tagen. Die für vom Krieg geplagten Menschen könnten die Waffenruhe nutzen, um sich – ohne Waffen – wieder selbst zu artikulieren.

AM VERHANDLUNGSTISCH

Die zumindest theoretische Chance dazu besteht in etwa zwei Wochen. Vertreter der syrischen Opposition werden sich dann in der kasachischen Hauptstadt Astana mit Mitgliedern der Assad-Regierung treffen. Alle bisherigen Annäherungsgespräche scheiterten an den Maximalforderungen der Kriegsparteien. Dieses Mal sind es jedoch nicht die als Vermittler in Syrien so kläglich gescheiterten Vereinten Nationen, sondern Russland und die Türkei, die in Astana Regie führen.

Beide Staaten hatten in den letzten 18 Monaten den syrischen Bürgerkrieg massiv angeheizt. Sie sollten daher auch über die (Druck)-Mittel verfügen, um ihre Verbündeten zur Raison, zum Einlenken zu zwingen. Ohne Waffen und Munition, die zu 90 Prozent aus der Türkei kommt, können die Rebellen keine grossen Schlachten gewinnen. Es wird Monate dauern, bis sie das Trauma von Aleppo auch psychologisch verarbeitet haben werden.

Das Assad-Regime wiederum weiss, dass es ohne die russisch-iranische Militärhilfe in der Luft und am Boden auf verlorenem Posten steht. Die Erkenntnis der eigenen Schwäche bedeutet freilich nicht, dass sich die Kriegsparteien am Verhandlungstisch sofort bewegen werden.

FRAGEZEICHEN TRUMP

Es wird ein zäher Prozess, begleitet von vielen Störmanövern.  Um Fortschritte zu garantieren, müssen auch die arabischen Golfstaaten, Europa und die USA in den Verhandlungsprozess mit eingebunden werden. Letztere sind die grossen Verlierer im Stellvertreterkrieg um Syrien, weil sie versäumt haben, rechtzeitig und mit Entschlossenheit in dem Bürgerkriegsland zu intervenieren.

Wie dies funktioniert, hat Vladimir Putin mit brutalster Härte demonstriert. Beifall hat er dafür nicht verdient. Da die Waffen in Syrien jetzt schweigen, sollte der Westen ihm aber die Chance geben, sich in Syrien als auch „Friedensfürst“ zu profilieren. Den Segen von Donald Trump scheint Putin zu haben. Geduld gehört nicht zu den Charaktereigenschaften des neuen US-Präsidenten. Und dies könnte – im Falle Syriens – gar nicht so falsch sein.

 

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