Erlebnisberichte

BERICHT: Bernsteinstrasse Juli 2013

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22. Juli 2013 von Stefanie Anderegg

Bernsteinstraße – Goldener Bernstein, Goldwasser und goldenes Gemüt

Unsere Bernsteinreise steht unter einem guten Stern. Wussten Sie, dass Gertrud die Schutzheilige der Reisenden ist? Mit gleich drei Trudis unter uns folgen wir der Spur des Bernsteins von Danzig in Polen via Baltikum nach St. Petersburg. Nach nur 10 Tagen sind wir bereits im 5. Land unterwegs. Im Gepäck ein paar Brocken von jeder Landessprache, einen Haufen Eindrücke und Erlebnisse, herzliche Begegnungen und Bernstein natürlich! und nicht zu vergessen – ein paar gute Tröpfchen …
Aber der Reihe nach: Die wechselvolle Geschichte der Hansestadt Danzig erfahren wir vom Energiebündel Joanna – packend, mit viel Witz und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, sprudelt es nur so aus ihr raus. Wir stellen uns lebhaft vor, wie die Schweinchen durch die Marienkirche getrieben wurden (sonst haben wir sie oft auf dem Teller gesehen) und schmunzeln über Joannas Empören zum Chinakitschrokkoko-Rahmen, in dem ihr Papst Papa Wojtyła mit grünem Diskolicht bestrahlt wird. Das hat er nun wirklich nicht verdient. Auch wie die „Jungs“, also die Ordensritter, geholt und wieder vertrieben wurden, wie die deutschsprachige Stadt mal polnisch mal unabhängig mal deutsch mal russisch war, können wir dank ihr nachvollziehen. Schwierig sich zu merken und ein bisschen verwirrend bleibt das Hin und Her, diese Führung werden wir hingegen nicht so schnell vergessen.


Doch schon geht’s weiter durch Polen zur masurischen Seenplatte. Wir können nur bestätigen – wer die Seen einmal gesehen hat, vergisst Kummer und Sorgen für alle Ewigkeit – so will es die Legende, nach der die Seen Perlen der zerborstenen Kette einer wunderschönen Riesin sind, welche dieselbe Wirkung hatte. Vielleicht haben aber auch Bisonwodka und Bärenfang  ein bisschen nachgeholfen? Ein fröhlich ausgelassenes Grüppchen reist jedenfalls weiter in die litauische Hafenstadt Klaipėda und zur einzigartigen Kurischen Nehrung. Ein schönes Fleckchen Erde hatte sich Thomas Mann für seine Sommerresidenz ausgesucht. Beim Anblick der riesigen Dünen versteht man seinen Ausruf: Oh Ägypten oh Ägypten! Wir meinen: Eine gute Gelegenheit für einen Gipfeltrunk mit dem bereits legendären Bärenfang hoch oben auf der Düne!

Teufel, Hexen, Riesen und anderen Sagengestalten – und natürlich unser „Sergeant Pepper“… – begleiten uns auf dem Spaziergang zum Hexenberg. Auch unterwegs tauchen sie immer wieder in verschiedenster Gestalt auf. Wir durchstreifen eine sagenhafte Region in jeder Hinsicht. Gleichzeitig sind wir in Litauen im Bernsteinparadies gelandet, überall funkelt uns das „Gold der Meere“ in seinen verführerischen Farben entgegen. Faszinierend, dieser Stein der keiner ist und dessen Namen „brennender Stein“ bedeutet oder in Litauisch „Gintaris“, der Schutz. Unter fachkundiger Instruktion werden wir selbst zu Bernsteinkünstlern: Der erste Preis geht an Trudis Hamster, den zweiten und dritten Rang belegen Marcel und Bernie mit Igeln und der Trostpreis wird Rolands Uhu verliehen – etwas Fantasie vorausgesetzt.

Weiter geht’s ans Meer. Die Leidenschaft unseres Bernsteinjungen Igoris ist ansteckend, eine Portion Verrücktheit gehört dazu, wie er meint. Wir lassen uns gerne von ihm zeigen, wie man es anstellt, den Bernstein selbst zu „fangen“. Aber Achtung, nicht alles was golden schimmert, ist eine Träne der Götter – tausende angeschwemmte Maikäferflügel erschweren unseren (An-)Fängern die Arbeit.

Trotzdem füllen sich die Säcklein und vom Schutz unserer Bernsteinhülle umgeben, reisen wir weiter nördlich nach Riga. Der Zwischenstopp im Museum in Palanga gibt neben der Legende zur Entstehung des Bernsteins – eine schöne, wenn auch traurige Geschichte von Göttern, Nattern, Prinzen und Prinzessinnen und einem Bernsteinschloss im Meer – die wissenschaftliche Erklärung. 100’000 Jahre vom Harz zum Bernstein, 50 Mio. alte, eingeschlossene Insekten, die so bis heute erhalten geblieben sind. Erstaunliche Fakten. Kurz halten wir auf dem eigentümlichen Berg der Kreuze und schon sind wir im dritten Land angekommen und machen uns auf, das schöne Riga zu erkunden.

Was es wohl mit dem Riga Balsam auf sich hat? Das muss im Lokal mit dem geheimnisvollen Namen „Black Magic“ spontan getestet werden. Prost!

Ebenfalls fürs Gemüt gönnen wir uns ein Orgelkonzert im Dom und bewundern die reich verzierten Jugendstilfassaden, die alle ihre eigene Geschichte zu erzählen haben. Wir staunen nicht schlecht, als zwei Strassenmusikanten vor dem Drei Brüder Haus die Schweizer Nationalhymne anspielen. Zufall? Eine lebendige Stadt, wo man auch gut ein wenig länger verweilen könnte.


Aber es wartet schon die nächste Etappe auf uns, Estland. In der „lettischen Schweiz“ – mit den sage und schreibe bis 200m hohen Hügeln – legen wir einen kurzen Stopp bei der Gutmannhöhle ein für eine Verjüngungskur. Der Legende nach muss man dafür nur im dortigen Bächlein baden … Auf der Weiterfahrt Richtung Tallinn würde es uns nicht verwundern, wenn plötzlich ein leibhaftiger Riese aus den Wäldern auftauchen würde, so viele Sagen gibt es über sie. Auf dem Bauernhof werden wir zum Mittagessen kulinarisch verwöhnt, die Gastgeberin und ihre Töchter bewirten uns mit so viel Gastfreundschaft und herrlich frischen hofeigenen Produkten, dass es uns schwer fällt, wieder Abschied zu nehmen.

Im mittelalterlichen Tallinn angekommen scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, wenn man sich in den engen Gässchen umschaut und die historische Krusenstern angesegelt kommt. Hier trifft sich unser langer Hermann aus der Gruppe mit seinem Homonym, dem Wahrzeichen der Stadt und unsere schlanke Margrith mit der dicken Margarethe. Die Hauptstadt Estlands zeigt sich aber auch modern und innovativ, Skype wurde zum Beispiel hier erfunden und die Architektur des KuMu ist absolut beeindruckend. Dank der charmanten, sehr interessanten Führung von Pille erfahren wir die Geschichte des Landes durch die Kunst der jeweiligen Epoche, und zwar noch vor der offiziellen Türöffnung, exklusiv für uns. (Kleine Anmerkung speziell für Edi, unseren Geleisevermesser: Die Gurtschnalle wird uns unvergesslich bleiben!)

Die Zeit vergeht wie im Fluge und schon packen wir wieder unsere sieben Sachen und unsere Bernsteinschätze für die nächtliche Überfahrt mit der Fähre nach St. Petersburg. Unsere erste wenig erfreuliche Begegnung mit den russischen Behörden und die Geduldprobe bei Ankunft wird sofort entschädigt. Die Pracht der Stadt ist überwältigend, wie bei einem Tennismatch drehen sich unsere Köpfe von links nach rechts, so dicht gedrängt stehen all die wunderbaren Bauten. Damit wir auch etwas vom wirklichen Leben der Bevölkerung mitbekommen, machen wir einen Abstecher in die „Schlafstädte“, die riesigen und nicht sehr ästhetischen Wohnsiedlungen ausserhalb. Und wie positiv überrascht sind wir, als uns hinter wenig einladenden Stahltüren die offene Gastfreundschaft der Familie entgegenschlägt, bei der wir zum Essen eingeladen sind. Liebe geht durch den Magen und so schliessen wir die Familie sofort in unsere Herzen. Und natürlich heben sich die Wodkagläser nach jedem Gang: Nastrovje – dawei dawei dawei …!

Wie streng und diszipliniert es in der Ballettschule zu und her geht, wird uns bei einem Blick hinter die Kulissen bewusst. Schon die Kleinsten werden hier unterrichtet und nicht umsonst stammen Tänzer von Weltruhm aus St. Petersburg. Wer von ihnen wird es wohl auf die ganz grossen Bühnen schaffen?

Die Eremitage: Schon allein eine Reise in die Zarenstadt wert. Die Grösse, der Prunk und Reichtum sind schier unfassbar. Man stelle sich vor: Wenn man bei jedem Kunstwerk eine Minute verweilen würde, während acht Stunden am Tag, würde man ganze acht Jahre hier in den Sälen verbringen!

Prachtvoll und glänzend schliessen wir unsere Reise mit dem letzten Höhepunkt ab: dem geheimnisumwobenen Bernsteinzimmer im Katharinenpalast. Wo das verschwundene Original des „8. Weltwunders“ ist, bleibt eines der grössten Geheimnisse des 20. Jahrhunderts. Um ganz sicher zu gehen, schauen wir in die Spiegel im grössten Spiegelsaal Europas, sehen uns unendlich vervielfacht und hoffen, dass sich die Verheissung von Gesundheit, Glück und Reichtum bewahrheitet.

Wir verabschieden uns mit dem goldenen Gemüt, das unserer Gruppe während der ganzen Reise eigen war, stossen ein (vorläufig) zweitletztes Mal zusammen an und nehmen den Bernsteinglanz mit uns… Auf bald bei Bärenfang und Bisonwodka zum cotravel Stammtisch am Lagerfeuer am 6.8.!