Erlebnisberichte

BERICHT: Vom Kaspischen zum Schwarzen Meer – Aserbaidschan & Georgien Frühling 2016

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06. Juli 2016 von Tony Ruppen

MIT PETER GYSLING AUF DER SEIDENSTRASSE

Peter Gysling, langjähriger SRF-Korrespondent in Moskau, begleitete uns im ersten Teil dieser Studienreise. Die gemachten Erfahrungen in Moskau, vor allem aber die erst kürzlich gedrehte Seidenstrasse-Dokumentarfilmreihe, ermöglichten uns äusserst interessante Einblicke und Reflexionen aus allererster Hand.

Die Seidenstrasse – ein magischer Klang. Bis weit ins letzte Jahrtausend führte der Handel zwischen Ost und West auch durch das Gebiet zwischen diesen beiden Binnenmeeren. Waren, Kultur, Religionen fanden auf diesem Weg ihren Austausch – die Kenntnis von Papier und Schwarzpulver kam entlang der Seidenstraße in die arabischen Länder und gelangte von dort später nach Europa. Karawansereien, Etappenorte auf diesem Handelsweg, legen noch heute beredtes Zeugnis dieser Hochblüte des Austausches zwischen Orient und Okzident ab.

ASERBAIDSCHAN – LAND MIT GESCHICHTE…UND ÖLREICHTUM

Die Altstadt von Baku, der Hauptstadt des Landes, zeugt von der grossen Bedeutung bereits in früheren Jahrhunderten und ist heute UNESCO-Weltkulturerbe. Auch wenn das Land grossmehrheitlich dem schiitischen Islam folgt, zeigt die Stadt für unser Auge einen recht ‚westlichen Anstrich‘. Ausdruck davon mögen monumentale Bauten sein, u.a. die ‚Flammentürme‘,  die zwar ‚prima vista‘ protzig wirken mögen, durch ihre freie und unkonventionelle Architektur aber auch das gesunde Selbstverständnis dieser jungen Nation aufzeigen.

Dass diese Neugestaltung wesentlich durch den vorhandenen Erdölreichtum möglich wurde, versteht sich von selbst. Aserbaidschan ist heute nach Russland und Kasachstan der drittwichtigste Erdölexporteur der ehemaligen Sowjetunion. Rund 2/3 des Bruttoinlandproduktes werden in der Ölindustrie erzeugt. Ein Ausflug zu „Schlammvulkanen“, einem durch die Erdöllagerstätten geförderten Methan-Austritt, führte den spezifischen Bodenreichtum eindrücklich vor Augen.

DER GROSSE KAUKASUS – „TRENNWAND“ ZWISCHEN NORD UND SÜD

Über mehr als 1‘000 km bildet dieses Gebirge die Grenze zwischen Aserbaidschan/Georgien und Russland. Entstanden ursprünglich durch die afrikanische Kontinentalverschiebung gegen Norden, ist sie Bestandteil eines Gebirgszuges, der sich von den Pyrenäen und den Alpen letzten Endes über den Hindukusch bis zum Himalaya zieht. Bis zu mehr als 5‘500 m erheben sich die höchsten Spitzen und sind damit eigentlich die höchsten Berge Europas (wohlwissend, dass die geographische Definition für ‚unseren Kontinent‘ nicht ‚in Stein gemeisselt‘ ist).

 

Ausflüge führten uns auf aserbaidschanischer Seite in die Bergdörfer Xinaliq und Lahic, in unmittelbarer Nähe zur russischen Republik Dagestan. Bergdörfer, die in ihrer Farbigkeit und durch die teils abenteuerlichen Zufahrtswege einen ganz besonderen Kontrast zum städtischen Leben Bakus bilden. In Georgien folgte der Weg ins Gebirge der Grusnischen Heerstrasse, der einzigen heute zugänglichen Verbindung durch den Grossen Kaukasus. Über den Kreuzpass erreichten wir Stepanzminda, mit malerischem Ausblick auf die bereits durch Alexander Puschkin in Gedichtform festgehaltene ‚Dreifaltigkeitskirche‘ (Zminda Sameba).  Eingerahmt wird die pittoreske Kulisse durch den Kasbek (gut 5‘000 m hoch), magistral in seiner Erscheinung (…sofern denn die Wolken einen freien Blick erlauben!).

GEORGIEN – ANGELPUNKT IN MANCHER HINSICHT

Georgien ist christlich-orthodox und grenzt in weiten Teilen an muslimisch geprägte Völker. Die Georgische Orthodoxe Apostelkirche, mit ihrem Patriarchen an der Spitze, ist dominierende Staatskirche und steht in ihrer Wahrnehmung für die breite Bevölkerung zumindest auf gleicher Höhe wie die Regierung. Entsprechend geniesst die Kirche beispielsweise Steuerfreiheit.

Georgien besitzt nicht nur eine eigene Sprache, sondern auch eine eigene Schrift. Wohl in Vorderasien liegend, wird das Land von seinen Bewohnern gerne als „Balkon Europas“ bezeichnet. Zu Recht rühmt man sich einer reichhaltigen Kultur. Bereits zu Sowjetzeiten waren georgische Künstler weit überdurchschnittlich in den Zentren Moskau und St. Petersburg vertreten. Die georgische Filmkunst geniesst heute internationalen Ruf.

…Alles Ansatzpunkte für uns Besucher für eine interessante Auseinandersetzung vor Ort. Ein spontaner Besuch des Marionetten-Theaters in Tbilisi, mit wiederum spontaner Einladung durch den Theater-Direktor zum Abendessen, wurde u.a. zum ausserordentlichen Erlebnis.

SUPRA – DIE GEORGISCHE TISCHRUNDE

Kaukasier gelten generell als aussergewöhnlich gastfreundlich; allein schon diese Tatsache macht eine Reise durch die Gegend vom Kaspischen zum Schwarzen Meer zum Erlebnis. Besondere Erwähnung verdient hier die georgische Küche, die schon zu Sowjetzeiten als ‚Haute Cuisine‘  ihren besonderen Ruf hatte und auch dadurch dem Land zum Nimbus als Ferienziel schlechthin verhalf.

Stefan Tolz, langjähriger deutscher Filmemacher vor Ort und damit mit Land und Leuten bestens vertraut (unsere lokale Reiseleiterin meinte gar, sein Georgisch sei mittlerweile besser als das der Einheimischen), führte uns in die Geheimnisse der georgischen Tischrunde ein, der  SUPRA (direkt übersetzt: „Tischtuch“). Wohlwissend, dass Georgier gerne in Gruppen feiern und „Anlässe“ dazu immer wieder gefunden werden, unterliegt der ganze Ablauf einem bestimmten Ritual.

Als Wortführer gilt der TAMADA, der in geselliger und gekonnter Manier mit Trinksprüchen das Geschehen lenkt. Trinksprüche werden auf die Vergangenheit (u.a. auf die Toten), die Gegenwart (bspw. auf die Gastgeber) und die Zukunft (u.a. auf die Kinder) gegeben, wobei jeder der Teilnehmer anschliessend seinen persönlichen Trinkspruch dazu beifügt. Getrunken wird dabei gut und gerne, allerdings jeweils erst am Ende eines Trinkspruchs. Da sich diese SUPRAs aber über den ganzen Tag oder gar darüber hinaus hinziehen können, ist genügend Nachschub ein nicht zu unterschätzendes Erfordernis für den Gastgeber!

„GAU-MAR-DSCHOS“…EIN HOCH AUF UNSERE GASTGEBER

Dieser Trinkspruch ist zu Recht angesetzt. Auf unsere Fachreferenten Peter Gysling in Aserbaidschan, auf Stefan Tolz in Georgien, die äusserst informativ – und auch durch unsere ‚westliche Brille‘ nachvollziehbar – ihre reichen Erfahrungen in beiden Ländern mit uns teilten.

Ein Hoch aber auch auf unsere lokalen Reiseleiter. Mehdi im ersten Teil der Reise wie auch Ana (später dann Nino) in Georgien haben mit ihrer offenen, informativen, aber auch wenn nötig kritischen Art der bereisten Gegend ein äusserst angenehmes Gesicht gegeben.

Nicht vergessen seien unsere beiden Busfahrer, Ramir in Aserbaidschan und ‚Tamada‘ in Georgien, die mit ihren Fahrkünsten für uns völlig unmögliche Strassenverhältnisse und auch vielfach inexistente Strassenregeln erfolgreich meisterten.

Gau-mar-dschos…auf eine höchst attraktive Reise in einer sehr geschichtsträchtigen Gegend!

 

MEHR SEHEN, ANDERS ERLEBEN – ASERBAIDSCHAN & GEORGIEN

Nächste Reise in den Kaukasus mit Peter Gysling und Stefan Tolz: September/Oktober 2016.
Fotoalbum dieser Frühlingsreise sowie von Kurt Schaads Reko.
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