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ARTIKEL: Bhutans Grundrecht auf Glück

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11. April 2017 von Helmut Köllner

BERGE, BUDDHA UND DAS BRUTTOSOZIALGLÜCK

Wo die breite östliche Gangesebene im Norden von Indien endet, erheben sich abrupt ansteigende grüne Berge und bilden die Grenze zu Bhutan. Der Landesname ist von dem Sanskritwort Bhotianta,  „Grenze zu Tibet“, abgeleitet. Und in der Tat sind es, Luftlinie gemessen, von der Grenze zu Indien im Süden bis zur nördlichen Grenze zu Tibet nur rund 150 km.

Doch diese Kilometer haben es in sich: Der tiefste Punkt des Landes liegt im Süden gerade mal knapp 100 m über dem Meeresspiegel. Im Norden aber erheben sich über 7000 m  hohe Gipfel an der Grenze zum chinesisch verwalteten Tibet. Dazwischen liegen steile Täler, atemberaubende Wasserfälle und dichte Wälder, sowie auf über 2000 m gelegene Hochtäler. Sie sind das Hauptsiedlungsgebiet der Bhutaner, die auf dieser Höhe sogar noch Reis anbauen können.

URSPRÜNGE DES GLÜCKS

Über die Hälfte des Landes muss laut Verfassung bewaldet bleiben und über ein Viertel der Landesfläche besteht aus geschützten Natur- und Tierreservaten. Die riesigen Höhenunterschiede auf engem Raum und die damit verbundenen verschiedenen Klimazonen fördern eine überaus reichhaltige Flora und Fauna. Allein diese traumhafte Natur löst schon Glücksgefühle aus.

Auch der Nationalspeise der Bhutaner, Emadaze, wird nachgesagt, dass sie Glücksgefühle aufkommen lässt: Sie besteht aus scharfen Chillies in sämiger Käsesauce. Chillies setzen bekanntermassen Endorphine frei, die im Volksmund auch als Glückshormone bezeichnet werden. Selbst wenn Kritiker anmerken, das Glücksgefühl stelle sich erst bei nachlassendem Schmerz ein.

DAS LEID UND SEINE ÜBERWINDUNG

Schmerz ist jedoch in unseren Breiten eher mit Leid assoziiert, mit dem sich wiederum der in Bhutan so verehrte Buddha eingehender beschäftigt hat: Die vier edlen Wahrheiten handeln vom Leiden, seiner Entstehung, der Aufhebung des Leidens und dem zur Aufhebung des Leidens führenden Weg. Der edle achtfache Pfad des Buddha führt demnach zur Aufhebung des Leidens und somit zu einem Zustand, der fraglos als besonderer Glückszustand erlebt wird. Bhutan ist das einzige Land der Welt, in dem der Vajrayana-Buddhismus offizielle Staatsreligion ist.

Bhutan ist erst im 17. Jahrhundert zu einer eigenen Nation geworden, Staatsgründer war der Fürst und Lama Shabdrung Ngawang Namgyal, der weltliche und spirituelle Ziele gleichermassen verfolgte. Letztere liessen ihn 3 Jahre, 3 Monate und 3 Tage wie ein Eremit in einer Höhle 700 m hoch über dem Tal meditieren. Diese Klause ist heute das berühmteste Touristenziel Bhutans, das grossartige Tigernest-Kloster, das malerisch am steilen Felsen klebt. Die Höhle war schon ein Jahrtausend früher von dem als Buddha des Himalaya bekannten Heiligen Padmasambhava als Meditationsklause genutzt worden.

STAATLICH SANKTIONIERTES GLÜCK

Viele Bhutaner halten den populären vierten König von Bhutan Jigme Singye Wangchuk für die Wiedergeburt des Shabdrung. Und so erscheint es konsequent, dass das Grundrecht auf Glück auch in der Verfassung des Landes im 20. Jahrhundert festgeschrieben wurde. „Bruttonationalglück ist wichtiger als Bruttoinlandsprodukt“, konstatierte der König. In der Tat tragen auch Flüchtlingsströme, Autounfälle oder Umweltverschmutzung zwar zur Steigerung des Bruttoinlandsprodukts, aber gewiss nicht zur Förderung des Bruttoglückprodukts bei.

Bruttoglückprodukt ist deshalb eine ehrgeizigere Aufgabe als das Bruttonationalprodukt. Bhutan hat hierfür mehrere Institutionen geschaffen, die Forschung, Anwendung und Verbreitung von Bruttonationalglück zur Aufgabe haben. Auf unserer cotravel Reise hat uns denn auch ein staatlicher Experte über das Bruttoglückprodukt grosszügig Auskunft gegeben.

Mittels Fragebögen hat die Regierung in Bhutan versucht, den Stand des Bruttoglücks zu ermitteln und das Ergebnis zeigte, dass auch Bhutan in der Wahrnehmung seiner Bewohner kein Shangri La ist. Aber ein Shangri La gibt es schliesslich nur in James Hiltons neuzeitlichem Roman „Lost Horizon“ und nicht in alter Literatur. Und uns Reisenden bleibt die Bhutanreise gewiss als ein wunderbarer Glücksfall in Erinnerung.

 

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