Erlebnisberichte

ARTIKEL: Armenien

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27. Juni 2013 von Michael Wrase

Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Die Armenier mussten in ihrer wechselvollen Geschichte viel ertragen, aber sie haben sich wohl gerade deswegen ihren Witz bewahrt. Weltberühmt sind die politisch heiklen Fragen an Radio Eriwan, über die nicht nur der ehemalige Ostblock lachte. Die Armenier, so heisst es – sollen über die Fragen und Antworten von Radio Eriwan weniger gelacht haben.  Und so lautete eine der Fragen an den Sender „Gibt es in Armenien mehr Humor als anderswo?“ Die prompte Antwort lautete „Im Prinzip ja. Aber wir haben ihn auch bitter nötig.“

Es waren die Zeiten des Kommunismus und Sozialismus, die BLÜTEZEIT von Radio Eriwan, als die weltberühmten Witze erfunden wurden. Auf eine nur scheinbar naive Frage aus dem Volk folgte in der Regel eine heikle Spitze auf die Parteikader, die Korruption oder die Mangelwirtschaft. Ein paar Beispiele für die vielen Fragen, die damals gestellt wurden, habe ich Euch hier zusammengestellt.

Frage an Radio Erwian: Kann man in der Sowjetunion sein Leben in vollen Zügen geniessen?“ Die Antwort des Senders lautete: „Im Prinzip ja, aber es kommt auf die Bahnstrecke an.“

Ein Armenier fragte einmal Radio Eriwan: „An welchem Tag genau  der Genosse Josef Stalin starb?“ Die Antwort, nach langem Nachdenken, lautete: „Man weiss es nicht so ganz genau.  Aber es war mit Sicherheit ein Feiertag.“

Der Moderator an Radio Eriwan wurde einmal gefragt, ob ein kleiner Parteifunktionär einen grossen Parteifunktionär kritisieren darf?“ Die prompte Antwort lautete: „Im Prinzip ja, aber es wäre echt schade um den kleinen Parteifunktionär.“

Einige Monate nachdem das Atomkraftwerk von Tschernobyl explodierte, stellte ein Hörer folgende Frage an Radio Eriwan: „Darf man die Pilze aus Tschernobyl wieder essen?“ „Im Prinzip ja“, lautete die Antwort: „Aber Sie dürfen ihre Toilette nicht an die öffentliche Kanalisation angeschlossen haben.“

Wir werden im Laufe unserer Reise durch Armenien hören, dass es zu Zeiten der Sowjetunion mit der Glaubensfreiheit nicht weit her war. Armenien oder die armenische Sowjetrepublik bildete aber eine Ausnahme, dank der couragierten Priester, die sich auch mal mit Moskau anlegten, um die Kirchen hier um den Ararat offen zu halten. Das führte dann zu folgender Frage an Radio Eriwan: „Ist es wahr, dass der liebe Gott Parteigenosse werden kann?“ Die prompte Antwort lautete: „Im Prinzip ja, nur müsste er vorher aus der Kirche austreten.“

Mehr als 1500 Fragen, liebe Mitreisende aus der schönen Schweiz, sollen zu Zeiten des Sozialismus an Radio Eriwan gestellt worden sein. Darunter war auch die Frage, ob eine Schulklasse aus der weissrussischen Sowjetrepublik in ihrer Schule Schillers Wilhelm Tell aufführen darf?“ Die Antwort lautete:
„Im Prinzip ja – aber woher wollt ihr den Apfel nehmen?“

Die Witze von Radio Eriwan über die Pannen des Sozialismus gingen um die Welt. Heute kommen Touristen aus aller Welt nach Armenien, um zu schauen, was von dem sprühenden Humor noch übrig geblieben ist. Ich freue mich darauf, es mit Euch herauszufinden …